(11.05.2021) Ab Mittwoch greifen auch die deutschen Freiwasserschwimmer bei den Europameisterschaften in Budapest ins Geschehen ein. Angeführt von den Olympiateilnehmern Florian Wellbrock, Rob Muffels und Leonie Beck geht es für das deutsche Team beim ersten großen Open Water Event seit mehr als einem Jahr vor allem darum, wieder Wettkampferfahrung zu sammeln. Diese ist besonders mit Blick auf die Olympischen Spiele wichtig. Doch die Bedingungen vor Ort könnten im Vergleich zu Tokio unterschiedlicher kaum sein.


Mit dem Auto ab nach Ungarn! Viele Bürger der ehemaligen DDR kennen das noch vom Weg in den ersehnten Sommerurlaub. Für die Magdeburger Freiwasserschwimmer war der Roadtrip nach Budapest hingegen eine eher ungewöhnliche Nebenwirkung der Coronapandemie. "Wir sind nicht mit dem Flugzeug angereist sondern mit dem Kleinbus. Das hat super funktioniert", erklärt Bernd Berkhahn, Bundestrainer und Heimcoach der Magdeburger Nationalschwimmer, im Vorfeld der Europameisterschaften. 

Um voll besetzte Flieger und die damit verbundene Ansteckungsgefahr zu vermeiden, ging es also kurzerhand im Auto zur EM. Immerhin: Nach den 900km und rund zehn Stunden Fahrzeit sorgte für Wellbrock und Co. der Sprung in den Lupa See im Norden von Ungarns Hauptstadt für eine ordentliche Abkühlung. Der eine ehemalige Bergbauanlage füllende See ist ganz frisch im Kreis der internationalen Wettkampfstätten. Nicht nur, weil die Europameisterschaften das erste internationale Großevent sind, das dort stattfindet, sondern auch wortwörtlich aufgrund der Bedingungen vor Ort.

"Die Wassertemperatur liegt aktuell eher im unteren Bereich", drückt es der Team-Weltmeister Rob Muffels diplomatisch aus. "Das erste Reinspringen war schon ein kleiner Schock." Erwartet werden für die 5km-Rennen am Mittwoch Wassertemperaturen um die 17°C, was nur ein Grad über der vom Weltverband vorgeschriebenen Mindesttemperatur wäre. Da sich für Mittwoch zudem Niederschläge und Gewitter angekündigt haben, könnte es tags darauf bei den 10km-Events noch knapper werden. 

Die Rennen werden daher gemäß des Reglements im Neoprenanzug geschwommen. Dem mit viel Muskelmasse bestückten Rob Muffels kommt das entgegen, verschafft ihm der Anzug doch ordentlich Auftrieb. Der leichtere und ohnehin über eine hervorragende Wasserlage verfügende Florian Wellbrock kann hingegen vom Anzug-Boost weniger profitieren.  

"Das wird ein Härtetest", meint Wellbrock mit Blick auf die Bedingungen. "So kaltes Wasser hatten wir bisher bei noch keinem Freiwasser-Wettkampf", erklärt der Doppel-Weltmeister, der bei den Olympischen Spielen sowohl im Becken als auch im Open Water nach den Medaillen greifen will. Unter diesem Aspekt ist auch die Europameisterschaft zu sehen. „Alles ist auf Olympia ausgerichtet", meint Wellbrock zielsicher. Die EM-Ausbeute sei daher eher Nebensache.

Nicht nur aufgrund des Saisonzeitpunkts sondern auch wegen der Bedingungen werden die Rennen in Budapest kaum vergleichbar sein mit dem, was die Athleten in knapp drei Monaten in Tokio erwartet. Ein Neoprenrennen dürfte dort ausgeschlossen sein: Die Wassertemperaturen in der Marina Bay von Tokio werden voraussichtlich im oberen Bereich dessen liegen, was zulässig ist. So mancher befürchtet sogar, dass sie die erlaubten maximal 31°C überschreiten konnten. Um dem vorzubeugen, wurden die Startzeiten der beiden Olympiarennen vor wenigen Monaten noch einmal nach vorn verlegt. Schon um 6:30 Uhr wird es für die Athleten bei den Spielen auf Medaillenjagd gehen.

In Budapest spielt das Edelmetall für die deutschen Schwimmer eine eher untergeordnete Rolle. "Wir haben uns kein Platzierungs- oder Medaillenziel gesetzt", meint Bernd Berkhahn, der sich dennoch über die eine oder andere Podiumsplatzierung freuen würde. Auch aus Sicht der Athleten geht es vor allem darum, nach mehr als einem Jahr ohne große Freiwasserrennen, wieder Wettkampfkilometer zu sammeln. Die Bedingungen zwischen Budapest und Tokio unterscheiden sich zwar stark. Trotzdem sind die Einsätze in Ungarn für die deutschen Schwimmer wichtig. "Wir können dadurch unsere Wettkampfroutinen wieder durchgehen", erklärt Rob Muffels. "Auch das Verhalten im Umgang mit den Konkurrenten wollen wir wieder einüben. Deshalb schwimmen wir auch so viele Rennen wie möglich."

Auf dem Plan stehen für Muffels und Wellbrock ebenso wie für die ebenfalls für Olympia qualifizierte Leonie Beck die Rennen über 5km, 10km und das Teamevent. Die vierte deutsche Olympiateilnehmerin, Finnia Wunram, musste ihre EM-Starts kurzfristig krankheitsbedingt absagen. Für den Rest des deutschen Open Water Teams um Lea Boy, Oliver Klemet, Jeannette Spiwoks, Elea Linka und Niklas Frach bildet die EM den internationalen Höhepunkt dieser Saison. Sie wollen für ihre zukünftige Entwicklung möglichst viel mitnehmen aus den Rennen gegen die internationalen Spitzenkonkurrenten und sich etwas abschauen vom Auftreten der Olympiaschwimmer im deutschen Team - zu denen neben dem Tokio-Trio auch der London-Schwimmer Andreas Waschburger zählt.

Die Konkurrenz in Budapest ist stark. Nahezu die gesamte kontinentale Elite ist versammelt und damit auch ein großer Teil der Weltspitze. Das Ziel für Muffels, Wellbrock und Co. ist klar: Mit möglichst hilfreichen Erfahrungen wollen sie nach Ende der Wettbewerbe wieder im Kleinbus zurück nach Deutschland sitzen.

Die wichtigsten Links zur Schwimm-EM 2021:

Bild: Symbolbild / FINA Gwangju 2019

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