(11.01.2019) Eine internationale Schwimm-Liga, in der die besten Schwimmer der Welt für Profi-Teams auf Punktejagd gehen – das ist die Idee hinter der International Swimming League (ISL). Als eine der ersten Mannschaften für die neue Profiliga wurde nun ein Team aus Deutschland bekanntgegeben: ONEflow Aquatics.
Wir haben mit den Verantwortlichen gesprochen und euch hier die wichtigsten Infos rund um die ISL zusammengestellt.
Das steckt hinter dem Team ONEflow Aquatics
„Wir wollen ein Profi-Team für ganz Deutschland schaffen“, erklärt Christian Hirschmann, der Teammanager von ONEflow Aquatics. Die Rolle als Coach der Mannschaft übernimmt Hannes Vitense. Beide sind in diesen Positionen zwar auch bereits bei der Neckarsulmer Sportunion auf Vereinsebene tätig. Dennoch betont Hirschmann, dass das neue Profiteam unabhängig vom Club sein wird. „Wir befinden uns hier nicht in dem üblichen Vereinssystem.“ Stattdessen sei das Team ONEflow Aquatics in die von Hirschmann geleitete ONEflow GmbH eingegliedert, ein in Stuttgart ansässiges Unternehmen, das Firmen bei Digitalisierungsprozessen berät.
Das ISL-Konzept
Profiteams, die von potenten Partnern aus der Unternehmenswelt unterstützt werden, sind ein wichtiger Punkt im Konzept der International Swimming League. „Im Grunde geht es um die Frage, wie Sportler und auch Trainer beziehungsweise Infrastruktur wie Bäder besser refinanziert werden können“, erklärt Hirschmann. Die Idee der ISL: Durch eine Liga, in der nach derzeitigem Stand insgesamt zwölf Teams regelmäßig aufeinandertreffen, sollen ähnlich wie beim Fußball eine Identifikation der Fans mit den Mannschaften und damit eine gesteigerte Aufmerksamkeit für das Schwimmen geschaffen werden. Innerhalb von fünf Jahren soll das Format weltweit regelmäßig von 100 Millionen Zuschauern verfolgt werden. Die Sportler sollen dabei etwa die Hälfte der über die ISL generierten Einnahmen in Form von Antrittsgeldern und Prämien ausgezahlt bekommen. Drei große Geldtöpfe will die neue Liga öffnen: „Das eine sind die Vermarktungsgelder durch Übertragungsrechte sowohl im TV als auch digital. Das zweite ist die Liga selbst, für diese gibt es bereits einige große Sponsoren, die auch für die Erstausstattung an Preisgeldern und Prämien sorgen. Außerdem steht es den Teams frei, eigene Sponsoren zu haben, das ist dann die dritte Säule. In unserem Fall ist das die ONEflow GmbH sowie einige weitere kleinere Unterstützer“, so der 32-Jährige. Basis für die ISL könne zudem zukünftig auch ein nationales Liga-System sein, um die Strukturen in der Fläche zu stärken.
Athleten als Profi-Schwimmer
Jedes Team soll zu Beginn aus 24 Athleten (jeweils zwölf Damen und Herren) bestehen. Später könnte dies auch auf 36 Sportler pro Mannschaft hochgehen. Welche Schwimmer für das ONEflow Aquatics Team starten werden, soll im Frühjahr feststehen. Derzeit werden Gespräche mit deutschen Athleten aber auch Sportlern aus Skandinavien, Australien und Japan geführt. „Wir gehen aktiv auf die Athleten zu und sprechen sie an. Sie können sich aber auch bei uns bewerben und wir bewerten dann, ob der Athlet ins Konzept passt“, meint Hirschmann. Für deutsche Sportler wären Plätze reserviert.
Die Schwimmer erhalten einen Anstellungsvertrag bei der ONEflow GmbH und gehen einen weiteren Vertrag mit der ISL ein. Auf Basis einer für die gesamte Liga geltenden Entlohnungstabelle werden die Schwimmer dann für Wettkampfeinsätze usw. bezahlt. Die Höhe des Verdienstes richtet sich unter anderem nach den Erfolgen, die im bisher bestehenden Wettbewerbssystem bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften usw. errungen werden konnten. „Es gehört zum Fair-Play-Gedanken, dass wir hier für alle Teams feste Lohnstrukturen vorgeben“, erläutert Christian Hirschmann. Neben den festen Geldern gibt es zudem Prämien für das Abschneiden in der Liga. Diese werden wiederum von der ISL selbst ausgezahlt. Für die erste Saison stehen über Sponsoren der Liga bereits 5,3 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Teilhabe für die Vereine
Neben den Prämien für die Sportler gibt es auch Preisgelder für die Teams. Die Höhe hängt vom Abschneiden in der Liga ab. Um den Spagat zur bestehenden Struktur in der Schwimmlandschaft hinzubekommen, sollen auch die Heimatvereine der Sportler an diesen Erfolgsprämien beteiligt werden. „Somit ist das ein ergänzendes System zu unserer nationalen Förderstruktur. Die Aufgabe ist, durch dieses System mehr Geld nach Schwimm-Deutschland zu bringen“, so Hirschmann. „Auch Vereine, die sehr gute Arbeit im Nachwuchs- oder Übergangsbereich machen, würden profitieren, da alle Vereine beteiligt werden sollen, in denen der Sportler in den zurückliegenden vier Jahren aktiv war.“ Deswegen sei auch die Kadergröße ein entscheidender Punkt für Hirschmann. „Darüber kann das Geld auch in die Breite getragen werden. Ziel muss es sein in der Fläche gegenüber schwimmstarken Nationen (USA, Australien, Japan) aufzuholen. Aktuell haben wir in Europa viele Einzelkönner (z.B. Sarah Sjöström), aber kein System in der Fläche.“
Mittendrin statt nur dabei
Dass ein deutsches Team in der ISL starten soll, ist kein Zufall. „Das war insgesamt ein sehr langer Prozess“, meint Hirschmann. Schon seit anderthalb Jahren stehen die Neckarsulmer in Verbindung mit den Verantwortlichen der ISL, die auch die Köpfe hinter dem Energy Standard Team sind, für das u.a. Top-Schwimmer wie Sarah Sjöström und Chad le Clos starten. Die Trainingsbasis der Energy Standard Schwimmer im türkischen Belek nutzte auch die Neckarsulmer Sportunion gern für ihre Camps. Die gemeinsame Arbeit an Trainingskonzepten festigte den Kontakt. Auch an den Planungen und Konzepten rund um die International Swimming League haben Hirschmann und sein Team direkt mitgewirkt und waren hier von Beginn an involviert.
Die ISL-Wettkämpfe
Die ISL will bei ihren Wettkämpfen den Event- und Show-Charakter in den Mittelpunkt stellen. Statt des bisherigen Systems von Vorlauf- und Finalabschnitten sollen die Events knackig in TV-freundliche zwei Stunden passen. Bei den ISL-Meetings treffen daher nur jeweils zwei Teams aufeinander. Das genaue Wettkampfprogramm wird derzeit zwar noch erarbeitet, fest steht aber bereits, dass die Athleten je nach Platzierungen Punkte für ihre Teams holen, die dann am Ende bestimmen, welche Mannschaft das Meeting gewonnen hat. Dafür gibt es dann wiederum Liga-Punkte. In welcher Halle das deutsche Team seine "Heimspiele" austragen wird, steht noch nicht final fest.
Ab August 2019 soll zunächst eine Regular Season starten, in der Mannschaften aus Europa und den USA in zwei Staffeln in einem Ligaformat gegeneinander antreten. Nach einem Halbfinale der besten acht Teams wird im Finale unter den Top Vier der ISL-Champion ermittelt. Beide Runden sollen im Dezember in Las Vegas stattfinden.
Konflikt mit der FINA
Das Vorhaben der ISL stellt mit Blick auf das bisherige Wettkampfsystem durchaus eine revolutionäre Idee dar. Klar, dass das diejenigen auf den Plan ruft, die bisher über den Spitzenschwimmsport bestimmt haben. Bei den Verantwortlichen des Schwimm-Weltverbandes FINA stieß das ISL-Konzept auf wenig Gegenliebe. Sie sehen ihr Monopol und die damit verbundenen Gelder durch Sponsoren und Übertragungsrechte in Gefahr. Die Schwimmbosse drohten zeitweise sogar damit, Athleten, die bei ISL-Wettkämpfen starten, für zukünftige FINA-Wettbewerbe wie Weltmeisterschaften zu sperren. Ein für Dezember angesetztes Test-Event musste auf Druck der FINA daraufhin abgesagt werden. Derzeit unterhalten sich die beiden Organisationen über Anwälte miteinander, um zu einer Lösung des Konflikts zu kommen.
Seitens des Deutschen Schwimm-Verbandes wird es wohl keinen Gegenwind für die Pläne geben. Die Verantwortlichen des DSV sind über das Projekt informiert und stehen laut Hirschmann hinter der Idee. „Diese mediale Konfrontation, die es gerade zwischen ISL und FINA gibt, sehen wir nicht für Deutschland“, stellt er klar. Die kommenden sechs Monate werden zeigen, ob es eine Lösung gibt, in der sowohl die International Swimming League wie geplant durchgeführt werden kann und durch die Sportler keine Repressalien seitens des Weltverbandes FINA befürchten müssen. Denn nur dann kann das ISL-Konzept einen wirklichen Mehrwert für den Schwimmsport darstellen.
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