(18.08.2016) Die Schwimm-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio sind beendet. Jetzt können die Athleten die Sonne an der Copacabana genießen und sich entspannt die Wettkämpfe der anderen Sportarten anschauen. Auch die Russin Yuliya Efimova postet auf ihren Social Media Accounts bereits fleißig Strandbilder.
Mit dabei: Ihre zwei Silbermedaillen, die sie in Rio gewonnen hatte. Jetzt strahlt sie darüber, doch während der Siegerehrungen nahmen ihre Konkurrentinnen von ihr Abstand, vermieden es, sich mit Efimova ablichten zu lassen. Von den Rängen pfiffen die Athleten der anderen Teams, das hatte es zuvor in der Form noch nicht gegeben. Die Brustschwimmerin wurde in Rio zum Symbol für die verfehlte Anti-Dopingpolitik der großen Sportverbände.
Der US-Amerikanerin Lilly King und Rie Kaneto aus Japan haben wir es zu verdanken, dass der Schatten des Dopings im Schwimmsport die Olympischen Spiele 2016 nicht komplett verdunkelte: Sie hatten der Russin Yuliya Efimova die Goldmedaillen über die 100 und 200m Brust weggeschnappt. Ein Olympiasieg der überführten Dopingsünderin wäre der absurde Höhepunkt der Entwicklungen des zurückliegenden Jahres gewesen.
Seit Efimovas wirren Vergleichs ihrer knapp anderthalbjährigen Dopingsperre mit einem Strafzettel für zu schnelles Fahren, den sie bei der WM 2015 aufgestellt hatte, verfolgt die Öffentlichkeit die Aussagen und Schlagzeilen rund um die 24-Jährige besonders aufmerksam. Und immer wieder wird an ihrem Beispiel deutlich, wie verkorkst der Kampf gegen Doping geworden ist.
Schon ihre Aussagen aus dem vergangenen Jahr steht symptomatisch für die lockere Haltung gegenüber dem Thema Doping, die von vielen großen nationalen Verbänden und auch dem Schwimm-Weltverband FINA selbst vorgelebt wird. Zwar schoss die FINA in den vergangenen Monaten mit Worthülsen vom "konsequenten Kampf gegen Doping" um sich - doch zwischen den Zeilen dringt immer wieder die Meinung durch, es handele sich stets um ein paar schwarze Schafe und der Sport selbst habe kein Problem.
Dann kamen die positiven Tests auf Meldonium. Efimova war eine der etlichen Athletinnen, bei denen die seit Jahresbeginn verbotene Substanz nachgewiesen wurde - der Großteil von ihnen kam aus Russland. Trotzdem blieben ihr und den meisten weiteren Sportlern Strafen erspart. Der Grund dafür: Die Welt-Anti-Doping-Behörde WADA konnte bis heute keine verlässliche Aussage treffen, wie lange nach der Einnahme noch Reste des Mittels im Körper nachgewiesen werden können.
Die folgerichtige Begründung aller positiv getesteter Athleten: Wir haben das Mittel Ende 2015 eingenommen, als es noch nicht verboten war. Die WADA selbst musste zurückrudern und den Sportverbänden empfehlen, die überführten Athleten nicht zu sperren. Klar, dass die Sportler ihre Chance auf eine Reinwaschung nutzten. Die WADA hat sich in ihrem Kampf gegen Doping, der schließlich der Hauptauftrag der Organisation ist, ein dickes Eigentor geschossen.
Wie lange kann man eine verbotene Substanz im Körper nachweisen, ist eine der wichtigsten Fragestellungen im Zusammenhang mit Doping und es war vorhersehbar, dass sie auch beim Thema Meldonium eine Rolle spielen wird. Dass die WADA hier nicht bereits vor dem Verbot des Mittels eine klare Antwort hatte und so alle vermeintlichen Sünder ungeschoren davonkamen, sorgte für einen weiteren Knacks in der Glaubwürdigkeit des Anti-Doping-Kampfes.
Also, das Thema Meldonium war abgehakt und trotzdem drohte Efimova der Ausschluss von den Olympischen Spielen. Ein unabhängiger Untersuchungsbericht hatte systematisches Doping in ihrem Heimatland Russland aufgedeckt. Der Leichtathletik-Weltverband IAAF hatte nach ähnlichen Enthüllungen zuvor bereits die gesamte russische Mannschaft für die Olympischen Spiele gesperrt. Nun wollte das IOC nachziehen.
Was herauskam, war ein fauler Kompromiss: Russland wurde nicht komplett für Olympia gesperrt. Man einigte sich aber darauf, dass die FINA Sportler des Landes, die bereits einmal wegen Dopings überführt wurden, nicht in Rio starten lassen wird. Wieder war Efimova unter diesen Athleten und erneut wusste sie alle rechtlichen Mittel zu nutzen. Bis zum Abend vor ihrem ersten Start in Rio war noch ungewiss, ob Efimova tatsächlich antreten wird. Erst als sie tatsächlich auf dem Startblock stand, wurde klar, dass die Sportverbände erneut versagt hatten, klare Kante im Anti-Doping-Kampf zu zeigen.
Die russischen Funktionäre dürften sich mit Blick auf die Zusage, ihre schonmal gesperrten Athleten aus dem Team auszuschließen, ins Fäustchen gelacht haben. Die Rechsprechung des Internationalen Sportgerichtshof (CAS) hatte in den vergangenen Jahren derartige nachträgliche Mehrfachbestrafungen für Dopingsünder in mehreren Zusammenhängen für nicht gültig erklärt und es war absehbar, dass die nun eigentlich gesperrten russischen Sportler sich darauf berufen würden. Auch unser Kollege Craig Lord von swimvortex.com wies noch am Tag der IOC-Entscheidung darauf hin, dass der CAS die Sperren kippen würde - kaum vorstellbar, dass beim IOC selbst niemand damit gerechnet hatte.
Doch so konnte man den schwarzen Peter schön weiterschieben. Vom IOC zur FINA, von der FINA zum CAS und so weiter, und so weiter. Noch immer fürchten die Funtionäre um das Ansehen des Sports und viel mehr noch ihre eigenen Positionen. Dabei erkennen sie nicht, dass die Glaubwürdigkeit des "sauberen Sports" schon längst nur noch eine Wunschvorstellung ist, der mit Sicherheit auch die wichtigen Sponsoren nicht mehr lange folgen werden. Diese bezahlen letztlich die satten Aufwandsentschädigungen der Sportfunktionäre - schon im Eigeninteresse sollten sie sich also darum bemühen, das Image des Produkts "Sport" zu reparieren.
Klare Entscheidungen und feste Haltungen sind da gefordert. Jeder Athlet, der einmal wegen Dopings überführt wurde und bei einem großen Event im Finale steht oder sogar eine Medaille gewinnt, gefährdet die Glaubwürdigkeit des Sports. So hart das manchmal für den Einzelfall sein mag - nur lebenslange Sperren von überführten Athleten können dies verhindern. Und mit so einer Höchststrafe wäre auch Yuliya Efimova in Rio nicht zu Medaillen geschwommen und so zum Paradebeispiel des strahlenden Dopinsünders geworden.