Fast auf den Tag genau 10 Jahre nachdem er als junger Sportler und Student an die University of South Carolina kam, kehrte Nils Wich-Glasen vor einigen Monaten an jenen Ort zurück. Dieses Mal jedoch in neuer Rolle - und zwar als Trainer. Denn seit dem Sommer ist der einstige deutsche Nationalschwimmer am Campus in Columbia als Assistant College Coach und Rekrutierungskoordinator aktiv. In einem exklusiven Gespräch mit uns erzählte Wich-Glasen nicht nur davon, wie er überhaupt Trainer wurde und sich so einen Kindheitswunsch erfüllte, sondern sprach auch darüber, was ein starkes College Team ausmacht und was die USA vom deutschen Schwimmsport lernen können.
"Es war immer ein Ziel von mir, Schwimmtrainer zu werden."
Mit seiner aktuellen Rolle als Trainer erfüllte sich Nils Wich-Glasen einen Wunsch, den er bereits als Jugendlicher entwickelte. Da vor allem seine Eltern jedoch auf einen Plan B bestanden haben, studierte der mittlerweile 30-Jährige International Business. Dafür zog es ihn im August 2014 an die University of South Carolina, auch um den Leistungssport besser mit dem Studium vereinbaren zu können. Zuvor hatte der JEM und Kurzbahn-EM Teilnehmer in Erlangen unter Roland Böller trainiert und durch mehrere Trainingslager bereits wertvolle Eindrücke von den USA sammeln können. Als Teil des Uniteams stellte der Brustspezialist nicht nur zahlreiche Schulrekorde auf, sondern erzielte auch vordere Platzierung bei den nationalen Collegemeisterschaften in der Division I - der höchsten Liga im amerikanischen Unisport.
Nach seinem Studium in South Carolina zog es Nils Wich-Glasen dann nach Florida, wo er gemeinsam mit Topstars wie Caeleb Dressel und Ryan Lochte trainierte. Als er 2021 die Qualifikation für die Olympischen Spiele verpasste, beschloss der gebürtige Coburger sich auf eine Green Card zu bewerben, um langfristig in den USA bleiben zu können. Da sich dieser Prozess jedoch zwei Jahre in die Länge zog und Wich-Glasen während dieser Zeit lediglich Vertragsarbeit leisten durfte, arbeitete er viel in sogenannten Swim-Clinics. Als er 2023 dann seine eigene Schwimmlaufbahn beendete, legte Wich-Glasen den Fokus noch stärker auf die Arbeit als Coach. "Ich habe schnell gemerkt, dass mir die Arbeit als Trainer wirklich sehr viel Spaß macht", blickt er auf diese Zeit zurück. Nach nur kurzer Zeit als Vereinstrainer in der Nähe von Boston, erhielt Wich-Glasen dann das Angebot, als Teil des Trainerstabs zurück an die University of South Carolina zu gehen. "Das war dann keine super schwere Entscheidung", gibt er schmunzelnd preis.
"Was hätte ich rückblickend gerne besser gemacht?"
Nun möchte Nils Wich-Glasen seinen Schützlingen jenen Traum von einer Olympiateilnahme wahr machen, den er sich selbst nicht erfüllen konnte. Das Team der University of South Carolina ist sehr international aufgestellt, trainiert wird in getrennten Gruppen nach Geschlecht. Dabei werden sowohl das Damen- als auch Herrenteam jeweils durch drei Trainer betreut. Wich-Glasen ist als Assistenzcoach hauptsächlich für die Männer zuständig und unterstützt während der Trainingseinheiten flexibel dort, wo gerade Bedarf besteht - zum Beispiel bei der Ausdauergruppe oder den Sprintern. Als relativer Neuling in der Trainerrolle versucht er sich so viel Wissen wie möglich anzueignen und sich vom restlichen Trainerstab wichtige Dinge abzuschauen. Bei den Herren wird das Team der Coaches von Jason Calanog geleitet der zuvor u.a. Caeleb Dressel und Shane Casas betreute.
Auch von seinen eigenen Erfahrungen als ehemaliger Leistungssportler profitiert Wich-Glasen sehr. Bei der Entwicklung von neuen Trainingskonzepten frage er sich oft: Was hätte ich rückblickend gerne besser gemacht? Und warum hat es vielleicht nicht mit all dem geklappt, was ich mir sportlich vorgenommen habe? Wenn Nils Wich-Glasen von seiner Rolle als Trainer spricht, sind seine Freude und Begeisterung ausgesprochen spürbar. Nichtsdestotrotz, sei das Trainerdasein mit deutlich mehr Arbeit verbunden, als er das als Schwimmer immer gedacht habe.
"Je mehr Angebote es gibt, desto besser."
In seiner zweiten Funkton als Recruiting Coordinator ist Nils Wich-Glasen in erster Linie Anlaufpunkt für alle, die ins Schwimmteam der University of South Carolina kommen wollen. Dabei kann es sein, dass die Uni selbst den Kontakt zu potenziellen Schwimmern sucht, oder von Interessierten direkt angesprochen wird. Die Aufgabe vom Recruiting Coordinator ist es dann, den Cheftrainer bestmöglich zu beraten und ein optimales Team zusammenzustellen. Denn das Schwimmen wird an amerikanischen Universitäten weniger als eine Einzelsportart und vielmehr als Teamprojekt wahrgenommen. Wich-Glasen sieht darin einen großen Mehrwert. Doch das sei nicht der einzige Grund für den Erfolg vieler Collegeteams: Neben einem guten Trainerstab, seien auch das Schwimmbad und die Krafträume ein wesentliche Grundvoraussetzung für gute Mannschaften. Hinzu kommen Angebote im Bereich der Sportmedizin, Ernährungsberatung und sportpsychologische Unterstützung. Je mehr solcher Angebote es an einer Uni gäbe, desto besser.
Doch auch nachdem er über zehn Jahre in den USA verbracht hat, gibt es einige Aspekte aus Deutschland, die Nils Wich-Glasen gerne im amerikanischen Schwimmsport integriert sehen würde. Dazu zählen vor allem der Fokus auf die Langbahn, was vor allem für internationale Titelkämpfe von großer Bedeutung sei, aber auch sportwissenschaftliche Elemente wie die KLD (Komplexe Leistungsdiagnostik) oder Laktattests.
"Ich bin seit sechseinhalb Jahren nicht mehr in Deutschland gewesen."
Wenn Nils Wich-Glasen nun auf die vergangenen zehneinhalb Jahre zurückblickt, zeigt er sehr zufrieden mit der Entscheidung, den Weg in die USA eingeschlagen zu haben. Nicht nur für seine Schwimmkarriere und seine berufliche Laufbahn sei es der beste Weg gewesen, sondern auch für seine persönlichen Werdegang. Dennoch betont der Auswanderer, dass es nicht für alle Nachwuchstalente, die richtige Entscheidung sein muss. Besonders wichtig sei es, ehrlich mit sich zu sein, mögliches Heimweh abzuwägen und sich ein Collegeteam auszusuchen, an dem für einen selber wirklich alles passt. Dann ist der Weg frei, das eigene Glück zu finden - so wie es Nils Wich-Glasen an der University of South Carolina gelungen ist.