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24. Januar 2019

(24.01.2019) Nachdem der Deutsche Schwimm-Verband Bernd Berkhahn und Hannes Vitense als neues Bundestrainer-Duo für die DSV-Nationalmannschaft benannt hat, gab der Magdeburger Chefcoach Bernd Berkhahn nun gegenüber mehreren Medien Einblicke in die Strategie für die knapp anderthalb Jahre bis zu den Olympischen Spielen in Tokio. Dabei setzt die neue sportliche Führung der DSV-Schwimmer auf mehr Freiheit, einen kollegialen Ton und niedrigere Hürden für die Qualifikationen zu den Saisonhöhepunkten.

Nach dem Rücktritt von Chef-Bundestrainer Henning Lambertz übernimmt Berkhahn künftig die Rolle als "Teamchef" der DSV-Nationalmannschaft während Vitense "Teamcoach" wird und dessen Neckarsulmer Gefährte Christian Hirschmann als "Teammanager" fungiert. Die Verteilung der Aufgaben auf mehreren Schultern solle dabei helfen, "wieder eine vertrauensvolle Kultur in den DSV" zu bekommen. "Dafür müssen wir weg von dieser Hierarchie, dass es einen Bestimmer gibt, der sagt, wo es langgeht", erklärt Berkhahn im Interview mit der Welt. "Die Leute müssen und sollen wieder selbstständig und kreativ arbeiten können – mit unserer Unterstützung."

Die Heimcoaches der Athleten sollen die neuen Bundestrainer als Ansprechpartner und Anlaufstellen verstehen. Dabei wolle man niemanden zwingen, einen bestimmten Weg einzuschlagen. "Ich muss nicht von oben vorgeben, wie jemand sein Krafttraining macht, damit er schneller wird. Jeder einzelne Trainer ist kompetent genug, um das einschätzen zu können", so der 47-Jährige. "Es gibt im internationalen Schwimmsport Tausend unterschiedliche Modelle, um erfolgreich zu sein."

Stattdessen geht es für die Bundestrainer eher darum, neue Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehören auch Veränderungen bei den Nominierungsbestimmungen für die internationalen Saisonhöhepunkte. Wie diese konkret aussehen werden, steht aktuell noch nicht fest. Bisher wurden die Qualifikationsrichtlinien für das Jahr 2019 noch nicht veröffentlicht. Nach dem Wechsel an der Spitze der Nationalmannschaft wird vielerorts darauf gewartet. Am kommenden Wochenende steht für mehrere Nationalschwimmer mit dem Euro Meet in Luxemburg bereits ein erster wichtiger Formtest an. Im vergangenen Jahr konnten sie sich hier schon für die Europameisterschaften qualifizieren. Wie das mit Blick auf die bevorstehenden Schwimm-Weltmeisterschaften in Korea aussieht, ist derzeit nicht ganz klar.

Gegenüber der Magdeburger Volksstimme gibt Berkhahn aber bereits ein paar Anhaltspunkte, in welchem Bereich die Qualifikationszeiten für die Schwimm-WM liegen könnten. "Die Normen werden etwas gelockert. Aber sie werden sich auch in den vom Weltverband Fina vorgegebenen Zeiten bewegen. Wir streichen außerdem die bisherige Vorlaufnorm, es wird bei uns auch keine U23-Norm mehr geben", erklärt der Coach von Vize-Weltmeisterin Franziska Hentke und Europameister Florian Wellbrock im Interview.

Für Nachwuchsschwimmer macht er trotz des Wegfallens der leichteren U23-Qualiifikationszeiten die Tür weit auf: "Wenn wir sehen, dass ihre Entwicklungstendenz bereits positiv mit Blick auf die Sommerspiele 2024 verläuft, dann nehmen wir sie auch zum aktuellen Saisonhöhepunkt mit, für den sie die Norm vielleicht nicht ganz geschafft haben." Damit wolle man unabhängig von Normen beweglich bleiben. "Jede Disziplin und jede Leistung wird dabei differenziert betrachtet."

Auch in der Ausbildung der jungen Schwimmer, die 2024 oder 2028 vorn mitmischen sollen, soll an den Stellschrauben gedreht werden. "Es wird darum gehen, die paar Talente, die wir haben, auch vernünftig zu betreuen und zu den Spielen zu führen. Wir dürfen auf dem langen Weg an die Spitze möglichst keine Talente verlieren. Langfristig müssen wir sehen, dass wir im Nachwuchstraining vieles verändern", so Berkhahn gegenüber der Welt. Dafür solle neben der Grundausbildung der Sportler auch die Trainerausbildung verbessert werden. "Das sind Dinge, die am Ende fehlen, um den letzten Schritt in die Weltspitze zu machen. Dort sind meistens jene Dinge entscheidend, die in den frühen Jahren der Sportkarriere angelegt werden. Andere Nationen wie die USA und China sind uns dadurch überlegen, dass sie eine viel größere Breite haben. Wir müssen mit unseren Talenten behutsamer umgehen."

Dazu dürfte es auch gehören, dass man den Talenten mehr Flexibilität gibt in der Frage, wo sie trainieren möchten. In den vergangenen Jahren wurde durch den DSV der Zentralisierungsgedanke stark vorangetrieben, um Talente an den Bundesstützpunkten zu konzentrieren. Diese sollen zwar weiter attraktiv gestaltet werden und das Ziel sei es, dass die besten Athleten unter den besten Bedingungen trainieren. Man wolle aber niemanden zwingen an einen DSV-Stützpunkt zu wechseln, meint Berkhahn: "Wir werden den Verbleib von Kader-Athleten an kleineren Stützpunkten oder in größeren Vereinen akzeptieren und unterstützen", erklärt er.

Bei allen Plänen bekräftigt Berkhahn dabei, dass sein Hauptfokus ebenso wie der seines Bundestrainerkollegen Hannes Vitense auch weiterhin auf der Ausbildung der eigenen Athleten in Magdeburg bzw. Neckarsulm liegen soll. Die Führungsaufgaben bei der Nationalmannschaft sieht der Coach, der sich für seine Heimathleten kürzlich mit dem einstigen Britta-Steffen-Trainer Norbert Warnatzsch einen erfahrenen Assistenten an die Seite geholt hat, dabei nicht als Belastung. "Für mich ist es die Möglichkeit, meine Ideen auch in den DSV einzubringen", meint Berkhahn. Dies mache ihm Spaß. "Deshalb habe ich keine Sorge, sondern verspüre einfach Vorfreude."

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