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21. Februar 2013

(21.02.2013) Zwei unabhängige Untersuchungsberichte zu den enttäuschenden Ergebnissen der australischen Schwimmer bei den Olympischen Spielen 2012 zeichnen ein erschreckendes Bild vom Zustand der australischen Nationalmannschaft. Die Berichte sehen vor allem die negative Stimmung und das Verhalten zahlreicher Athleten als Ursache für die magere Ausbeute der Aussie-Stars. Bei den Spielen in London hatten die Schwimmer aus Downunder nur einen Titel holen können und blieben deutlich unter den Erwartungen.


Trinkgelage, Medikamenten-Missbrauch, Nichteinhalten der Sperrstunden, Mobbing, ... Die Ergebnisse der Untersuchungsberichte zum Abschneiden der Aussie-Schwimmer bei den Olympischen Spielen in London zeichnen ein verherendes Bild vom Klima in der australischen Nationalmannschaft. Bereits nach den Spielen sickerten tröpchenweise Geschichten über das Verhalten der australischen Schwimmer durch, nun geben zwei zu Beginn der Woche veröffentlichte, verbandsunabhängige Berichte einen fatales Gesamtbild. Der von der externen Firma Bluestone Edge angefertigte, sogenannte "Bluestone-Report" spricht gar von einer "vergifteten" Atmosphäre im Team. Es sei eine der Hauptursachen für die magere Ausbeute von nur einer Goldmedaille und Platz sieben im Medaillenspiegel der olympischen Schwimmwettbewerbe - für die Schwimmnation Australien, die einst auf Augenhöhe mit den USA war, ein blamables Ergebnis.

Zerfallenes Team statt geschlossenes Mannschaftsteam

Statt eines geschlossenen Mannschaftsbildes hatte sich das Team in etliche kleine Grüppchen zerstückelt. Eine Gruppenbildung sei bei solch großen Mannschaften zwar normal, beim australischen Olympiateam habe jedoch ein regelrechter Zerfall festgestellt werden können, so der Bericht. Viele Athleten hätten Olympia nicht als Teamveranstaltung sondern als "einsame Einzel-Spiele" erlebt. Die Teamführung habe es nicht geschafft, junge Athleten auf die Herausforderungen und Gegebenheiten bei ihren ersten Olympischen Spielen vorzubereiten und auch die "erfahrenen Hasen" hätten nur selten Unterstützung geboten. Im Gegenteil: Mehrfach wurde über erniedrigende Einführungsrituale berichtet, die deutlich über das Maß, welches man auch von anderen Nationalteams gewohnt ist, hinausgingen. Auch Mobbing innerhalb der Mannschaft soll für ein negatives Mannschaftsklima gesorgt haben.

Freistilstaffel um Magnussen im Mittelpunkt der Diskussion

Ein weiteres Problem war zudem, dass der Verband im Vorfeld und während der Olympischen Spielen stets nur einige wenige Hoffnungsträger des insgesamt 47-köpfigen australischen Teams ins Rampenlicht stellte, zahlreiche der weiteren Athleten jedoch die Wertschätzung ihrer Führung und auch der Medien vermissten. Dies wurde vor allem dann zum Problem, als die Erfolge der großen Hoffnungsträger ausblieben. Dabei steht ein Name, wie kein anderer für dieses Thema: James Magnussen. Der Weltmeister ging als Goldkandidat Nummer Eins über die 100m Freistil in die Spiele. Sogar ein Weltrekord wurde ihm zugetraut. Auch die australische 4x100m Freistilstaffel sollte der 21 Jahre alte Magnussen zum Sieg führen. Doch daraus wurde nichts. Über die 100m Freistil musste sich Magnussen vom US-Amerikaner Nathan Adrian abfangen lassen. In der Staffel gingen die haushoch favorisierten Australier sogar komplett leer aus. Wie nach Olympia berichtet wurde, sollen die Freistilschwimmer vor Beginn der Spiele im Team-Camp in Manchester deutlich über die Strenge geschlagen haben. Neben Alkohol habe dabei auch das Schlafmittel Stilnox eine Rolle gespielt. Die Mitglieder der Staffel wollen sich in den kommenden Tagen im Rahmen einer Pressekonferenz zu den Geschehnissen in Großbritannien äußern.

Sportler wurden von Team-Führung allein gelassen

Einer der großen Kritikpunkte beider Berichte ist, dass die australische Teamführung bei den Problemen innerhalb der Mannschaft entweder tatenlos zugesehen oder weggeschaut habe. Vor allem hier setzen die Berichte in ihren Empfehlungen für eine Wende zum Besseren an. Bisher hatte man sich darauf verlasse, dass sich die Athleten bei den Saisonhöhepunkten mehr oder weniger selbst zurechtfinden. Das Thema Team-Management spielte kaum eine Rolle. Empfohlen werden nun unter anderem die Einführung eines Verhaltenskodex für die Nationalmannschaft mit klaren Handlungsanweisungen für die Team-Führung für den Fall, dass dieser gebrochen wird und eine stärkere Ausbildung der Team-Verantwortlichen in Sachen Führungsqualität.

Muss Chef-Coach Nugent seinen Hut nehmen?

Im Mittelpunkt der Diskussion steht zudem der australische Chefcoach Leigh Nugent. Er soll während der Spiele von den Dingen, die in seiner Mannschaft vor sich gingen, gewusst haben, ohne ihnen jedoch Einhalt zu gebieten. Er hatte die Vorgänge als "kindisches Verhalten" abgetan. "Es hat bei mir keine Alarmglocken läuten lassen - im Nachhinein sehe ich jedoch, dass es wahrscheinlich hätte Alarmglocken läuten lassen müssen", erklärte Nugent, nachdem die Berichte publik wurden. Ob Nugent auch in Zukunft als australischer Head-Coach tätig sein wird, bleibt abzuwarten. Er selbst bekräftigte mehrfach, an seinem Posten festhalten zu wollen. Die Zeichen verdichten sich jedoch, dass dies nicht mehr in seiner Hand liegt. Viel wird von dem abhängen, was ein nach Veröffentlichung der Untersuchungsberichte eingesetztes "Integrety Panel" zu Tage bringen wird.

Social Media Maulkorb als Konsequenz medialer Ablenkung

Auch das Thema Persönlichkeitsentwicklung der Athleten soll zukünftig eine stärkere Rolle spielen. Die Berichte kritisierten die starken Ablenkungen, mit denen die australischen Schwimmer es während der Spiele zu tun bekamen. Das Olympische Dorf sei ein "Süßigkeitenladen der Ablenkungen" gewesen und auch die mediale Aufmerksamkeit habe sich negativ ausgewirkt. Als Folge daraus wurde unter anderem empfohlen die Medienauftritte der Schwimmer sowie deren Nutzung sozialer Netzwerke wie facebook stark zu beschränken. Die australische Teamführung griff dem zuletzt bereits voraus und verkündete bei einem Treffen des Nationalteams vor einem Monat einen "Social Media Maulkorb" für die Schwimmer. Ob dies im digitalen Zeitalter der richtige Weg sein wird, ist jedoch zu bezweifeln.

Suche nach dem richtigen Weg eilt

Welchen Weg man in Downunder auch immer einschlagen wird - es empfiehlt sich ihn schnell zu finden und zu gehen. Bereits in wenigen Wochen steht die Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Barcelona auf dem Plan. Bis dahin heißt es, sich ein neues Bild zu verpassen und die richtige Richtung einzuschlagen. Spätestens bei der WM im Sommer werden etliche der Akteure der Geschehnisse von London für mehrere Wochen aufeinandertreffen. Dann sollte das Reibungspotential auf ein Minimum reduziert sein, damit man in Barcelona wieder über australische Erfolge und nicht die Ereignisse hinter den Kulissen lesen kann.