23. Dezember 2025

Am Tag, an dem Angelina Köhler bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften mit einem neuen Deutschen Rekord über die 50m Schmetterling glänzte, nahm sich ihre amerikanische Dauerrivalin Gretchen Walsh Zeit für ein Gespräch mit uns. Walsh richtete Köhler stellvertretend ihre Glückwünsche aus und sprach über die größten Unterschiede zwischen der nationalen und internationalen Konkurrenz. Zudem verriet sie, was ihre Ziele für das kommende Schwimmjahr und darüber hinaus sind – Weltrekorde inklusive. 

Allen voran ist der Blick der US-amerikanischen Star-Schwimmerin schon jetzt auf die Olympischen Spiele 2028 gerichtet. Doch um sich für die olympischen Titelkämpfe mit Heimvorteil  zu qualifizieren, muss sich Gretchen Walsh zunächst gegen die starke nationale Konkurrenz durchsetzen. Trotz des internen Konkurrenzdrucks, sei das Team USA aber in erster Linie ein großes Supportnetzwerk, aus dem sich ein großer Nutzen ziehen lässt. "Ich spüre mehr Druck durch die internationale Konkurrenz, weil ich das Team USA eher als mein Unterstützungssystem sehe – als die Menschen, zu denen ich aufschaue und auf die ich mich verlassen kann, wenn ich mit Druck zu kämpfen habe. Deshalb sehe ich es eher als eine Gelegenheit, meine eigene Rennmentalität zu verbessern und daran zu arbeiten, wie ich mit hochkompetitiven Situation wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen umgehe.", beschreibt Walsh diesen emotionalen Rückhalt. Das Aufeinandertreffen mit der internationalen Konkurrenz um das deutsche Schmetterlings-Ass Angelina Köhler sei auch deshalb von großer Spannung geprägt, da es nur wenige gemeinsame Wettkämpfe gibt, bei denen es zu einem direkten Showdown kommt: "Ich weiß nie, was mich erwartet. Jedes Mal, wenn ich neben Angelina ins Becken springe, gebe ich deshalb alles. Ich möchte nicht diejenige sein, die am Ende zurückbleibt und dachte, sie würde es locker in die nächste Runde schaffen, während in Wirklichkeit alle voll konzentriert sind und bereit sind, schnell zu schwimmen und ihr Bestes zu geben.". 

"Wir waren schon immer unsere größten Cheerleader."

Einen ganz besonderen Rückhalt erfährt sie auch durch ihre Schwester Alex Walsh, die mit Olympiasilber in Tokio und zahlreichen WM-Medaillen ebenfalls große Erfolge im Schwimmen feiert. Die beiden Schwestern schwimmen seit langer Zeit in der selben Trainingsgruppe, haben beide an der University of Virginia studiert und teilen sich nun auch wieder eine gemeinsame Wohnung. "Für uns beide ist es unglaublich wertvoll, jemanden an der eigenen Seite zu haben, der sich auf diesem Spitzenlevel im Sport befindet – jemanden, mit dem man sich identifizieren, dem man sich anvertrauen und den man unterstützen kann.", beschreibt Walsh den besonderen Schwesternbund. Bei den Olympischen Spielen 2024 durften die Walsh Schwestern gemeinsam die US-amerikanischen Farben vertreten – für Gretchen mit der emotionalste Moment ihrer bisherigen Karriere: "Dieses Ziel haben wir so lange gemeinsam verfolgt. Als wir es schließlich erreicht haben, war das wirklich unglaublich. Wir haben vorher so viele Höhen und Tiefen gemeinsam durchgestanden.".

Sowohl im nationalen als auch internationalen Vergleich zeichnet Gretchen Walsh eine Stärke ganz besonders aus: die Unterwasser-Kicks. Dem ist sich die Erfolgsschwimmerin auch selbst bewusst: "Das ist etwas, das ich fast perfektioniert habe. Aber ich trainiere die Kicks trotzdem kontinuierlich, weil ich die Stärke nicht verlieren darf – denn die Kicks sind meine Geheimwaffe. Also nutze ich jede Gelegenheit, wenn ich mich von der Wand abstoße, um mich daran zu erinnern, dass das das ist, was ich am besten kann und dass ich es noch weiter perfektionieren muss.". Doch auch an anderer Stelle sieht Walsh noch Verbesserungspotenzial, das sie zuversichtlich für ihr zukünftige Leistungsentwicklung stimmt: "Ich habe noch genug Raum, um mich weiterzuentwickeln, sodass ich optimistisch in meine Zukunft im Schwimmen und meine Fähigkeit, meine Zeiten zu verbessern, blicke.".

"Es ist ein unglaubliches Gefühl"

Welche Erfolge das anstehende Schwimmjahr 2026 für Gretchen Walsh bereithält wird sich insbesondere bei den Pan-Pacific Championships im August zeigen, die für die US-amerikanische Starschwimmerin den Saisonhöhepunkt darstellen sollen. Dort sei das erklärte Ziel, Bestzeit über die 100m Schmetterling zu schwimmen – was gleichzeitig einen neuen Weltrekord bedeuten würde. Aber auch über die 50m Schmetterling soll es irgendwann mit der Weltrekordzeit von Sarah Sjöström klappen. Auf den 50m Freistil ist das Saisonziel etwas bescheidener: Hier hat Walsh erst einmal den Amerikanischen Rekord im Blick. Doch an die überwältigenden Gefühle nach ihrem ersten Weltrekord über die 100m Schmetterling wird wohl dennoch so schnell kein anderer Erfolg heranreichen: "Ich stand einfach völlig unter Schock. Es war ein wirklich unglaubliches Spektakel. Alles, was ich bis zu diesem Zeitpunkt geleistet hatte, zahlte sich aus. Es war sehr euphorisch. Jede nur erdenkliche Emotion habe ich in diesem Moment gespürt.". 

Den ersten Teil des Interviews mit Gretchen Walsh, in dem der Umgang mit Preisgeldern und Walsh's größte Erfolge im Vordergrund stehen, könnt ihr hier nachlesen: Gretchen Walsh: Zwischen Preisgeldern und der Liebe zum Sport 

 

Bild: La Presse / Arena