Gretchen Walsh gehört zu den prägendsten Gesichtern des internationalen Schwimmsports – sowohl sportlich als auch in der aktuellen Debatte um finanzielle Rahmenbedingungen für Spitzenathletinnen. Erst in dieser Woche wurde bekannt, dass US-amerikanische Kaderaktive wie Walsh zukünftig mit jährlich 45.000 US-Dollar gefördert werden. Doch diese finanzielle Unterstützung ist darauf ausgelegt, durch Preisgelder und Sponsorenverträge ergänzt zu werden – eine nicht immer einfache Aufgabe. Zwischen Weltrekorden, olympischen Medaillen und wachsenden Erwartungen spricht die US-Amerikanerin im Gespräch mit uns offen über Preisgelder, Leistungsdruck und die Frage, wie sich professionelle Existenzsicherung und die pure Liebe zum Schwimmen miteinander vereinbaren lassen.
"Preisgelder sind ein toller Anreiz für den Schwimmsport!"
Insbesondere die Weltcup-Serie, bei der Gretchen Walsh zuletzt mit Platz Zwei in der Gesamtwertung und einem neuen Weltrekord über die 50m Schmetterling glänzte und dafür mit sechsstelligen Prämien belohnt wurde, hat den Preisgeldern im Schwimmsport eine starke Öffentlichkeit verliehen. Walsh steht dem Thema jedoch zwiegespalten gegenüber. Als hochdekorierte Athletin sieht sie Preisgelder einerseits als bedeutenden Anreiz im Schwimmsport: "Ich denke, es könnte mehr Preisgelder geben – einfach basierend darauf, welches Unterhaltungspotenzial das Schwimmen hat.". Andererseits sorgen finanziell lukrative Events wie die Weltcups auch für spürbar erhöhten Druck. Diese Dualität sei im Leistungssport oftmals schwer zu navigieren: "Es ist schwierig als Profi zu wissen, dass ich im Schwimmen gut sein möchte, weil ich diesen Sport wirklich liebe und so weit gekommen bin und große Ziele habe. Aber zugleich ist es jetzt auch meine Existenzgrundlage. Durch meine Erfolge finanziere ich meinen Lebensunterhalt.".
Und diese Erfolge können sich wahrlich sehen lassen! Mit gerade einmal 13 Jahren qualifizierte sich Gretchen Walsh als damals jüngste Schwimmerin für die US Olympic Trials 2016. Seitdem sind fast zehn Jahre vergangen und das US-amerikanische Ausnahmetalent ist aus der Weltspitze nicht mehr wegzudenken. Die Erfolgswelle trug Walsh bis zu den Olympischen Spielen in Paris, wo sie über die 100m Schmetterling zu Silber schwamm und mit den amerikanischen Staffeln drei weitere Medaillen gewann – darunter zweimal Gold. Und der Rest des Schwimmjahres 2024 verlief für Gretchen Walsh nach der gelungenen Olympiapremiere nur noch erfolgreicher: Bei der Kurzbahn-WM kürte sich Walsh sieben Mal zur Weltmeisterin und begeisterte zudem mit unglaublichen elf Weltrekorden. Und auch den Weltmeisterschaften in Singapur in diesem Sommer drückte sie mit doppeltem Einzelgold über die 50m und 100m Schmetterling sowie einem weiteren Staffeltriumph abermals ihren Stempel auf.
"Die Leute erwarten, dass ich den Weltrekord breche und auf jeden Fall gewinne."
Mit den steigenden Erfolgen veränderte sich für Gretchen Walsh vor allem aber auch die externe Erwartungshaltung an ihre Leistungen: "Es war wirklich schwierig am Anfang, weil es einfach so ungewohnt für mich war, als Weltrekordhalterin ins Becken zu springen und dass die Leute erwarten, dass ich den Weltrekord breche und auf jeden Fall gewinne. Aber ich fühle mich nun wohler damit, weil ich jedes Rennen einfach als Gelegenheit sehe, eine neue Bestzeit zu schwimmen, egal welcher Maßstab das ist, und den Fokus mehr darauf lege, was es bedeutet, ein Rennen gut zu schwimmen. Letztlich geht es darum, in diesem Moment die beste Version seiner selbst zu sein – mehr als alles andere.", reflektiert Walsh ihren erlernten Umgang mit der Favoritenrolle.
"Es ist hart, aber ich schwimme für mich selbst. Ich schwimme für mein Land. Ich schwimme für mein Team."
Wenn man in jungen Jahren im Sport schon so viel erreicht hat wie Gretchen Walsh mit nunmehr 22 Jahren, stellt sich die Frage, wie es gelingt die eigene Motivation stets aufrechtzuerhalten. Eine besondere Rolle spiele für Walsh die Vorfreude auf die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles: "Ich will auf jeden Fall dabei sein. Ich möchte auf dieser Bühne stehen. Ich möchte die Erfahrung machen, dass mein Land mich auf heimischem Boden unterstützt.". Und auch die Aufnahme der 50 Meter Strecken in das olympische Programm sieht die Sprintspezialistin als großen Gewinn und als persönliche Chance. Doch sich in das leistungsstarke Team USA zu schwimmen, wird auch für Gretchen Walsh eine große Aufgabe, der sie zum aktuellen Zeitpunkt jedoch voller Optimismus und Selbstbewusstsein entgegenblickt: "Es wird auf jeden Fall eine Menge Druck geben, es ins Team zu schaffen. Im Moment fühle ich mich aber wirklich sehr zuversichtlich.".
Wie Gretchen Walsh mit dem internen Konkurrenzdruck in den USA umgeht, welche Fähigkeit sie selbst als ihre Geheimwaffe bezeichnet und wie die Erfolgsschwimmerin auf ihre internationale Konkurrenz um Angelina Köhler blickt, erfahrt ihr im zweiten Teil des Interviews. Dieses wird in den nächsten Tagen hier auf swimsportnews.de veröffentlicht.
Bild: La Presse / Arena