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Mehr als 10.000 Sportler und Sportlerinnen sind dieser Tage in Paris im Einsatz, (fast) alle einquartiert im Olympischen Dorf. Ein ganz besonderes Feeling ist mit dieser Unterbringung von Teilnehmenden aus rund 200 Nationen verbunden - doch nach den ersten Tagen im Dorf von Paris ist bei so manchem die Freude über das gemeinsame Miteianander verflogen.

Vor allem die langen Fahrzeiten zu vielen der Sportstätten machen den Aktiven zu schaffen - so auch den Mitgliedern der Schwimmteams. Rund 45 Minuten dauert die 12km-Fahrt vom Olympischen Dorf zur Paris La Défense Arena. Wenn der Verkehr halbwegs mitspielt. Bei stärkerem Stau - und diesen gibt es trotz "Olympia-Fahrbahn" nicht selten - kann sich die Fahrzeit auch gut und gern verdoppeln. 

"Es sind lange Transportweg, Busse fallen aus und man muss manchmal auch auf dem Boden sitzen", erzählt so zum Beispiel Angelina Köhler, die heute für das deutsche Schwimmteam die Olympischen Spiele eröffnete und nach dem erfolgreichen Vorlauf über die 100m Schmetterling am Abend im Halbfinale erneut starten wird. "Alles ist ein bisschen chaotisch", meint Köhler, fügt jedoch hinzu: "Aber mit diesen Bedingungen müssen alle klar kommen." Ähnlich sieht es Lucas Matzerath, der über die 100m Brust am Samstag den Finaleinzug klar machte. "Das Transportmanagement ist nicht optimal. Aber das kann ich nicht beeinflussen und mache das Beste draus, versuche die Zeit, die ich habe, so gut es geht zur Regeneration zu nutzen."

Für Schwimmer, die sowohl im Vorlauf- als auch Finalabschnitt im Einsatz sind, ergibt sich eine Fahrzeit von zwei bis drei Stunden pro Tag, wenn alles gut läuft. Um einfach in der Halle zu bleiben und die Beine in der Pause hochzulegen, sind die Teambereiche am Einschwimmbecken recht begrenzt und auch der Abstand von sieben Stunden zwischen Vorläufen und Finals spricht gegen einen Verbleib in der Halle.

Auch Schwimmer aus Australien und anderen Nationen beklagen die Transportwege in technisch oft veralteten Bussen ohne Klimaanlage, mit kaputten Fenstern und qualmenden Auspuffrohren. Einige Schwimmer, darunter auch Top-Athleten aus Südkorea, haben daher nun die Reißleine gezogen und das Olympische Dorf verlassen. Sie sind stattdessen nun in einem Hotel untergebracht, das fußläufig nur fünf Minuten von der Schwimmarena entfernt ist. Unter ihnen sind auch die Superstar Kim Woo-min und Hwang Sun-woo, Konkurrenten von Deutschlands Olympia-Hoffnung Lukas Märtens.

Ein weiterer - gerade bei Sportlern durchaus sensibler Punkt - sorgte in den vergangen Tagen im Olympischen Dorf für Unmut: Es gab anscheinend nicht genug Essen. So berichtete Andy Anson, Chef des britischen Olympiaverbands gegenüber The Times: "Das Essen im Dorf stellt ein ernsthaftes Problem dar." Besonders an guten Eiweis- und Kohlenhyratquellen fehle es in ausreichenden Mengen. Die Organisatoren haben mit zweieinhalb Mahlzeiten pro Tag und Person im Olympischen Dorf geplant. Anscheinend nicht genug.

Kleinere Probleme im Olympischen Dorf und beim Athletentransport sorgen angesichts der hohen Teilnehmendenzahl traditionell für Herausforderungen bei Olympischen Spielen. Das war auch in der Verganhenheit schon so. In Rio 2016 fuhr der Bus zum Schwimmstadio einige Aktive, unter ihnen auch die mehrfache Deutsche Meisterin Dorothea Brandt, kurzerhand mal zur Leichtathletikarena - und das kurz vor dem Halbfinale über die 50m Freistil. Brandt ist jetzt übrigens auch in Paris, als Co-Kommentatorin der ARD-Liveübertragungen.

So gesehen sind die Probleme nicht spezifisch für Paris, sondern ein Symptom der Dimensionen Olympischer Spiele, die nicht mit Weltmeisterschaften oder anderen internationalen Höhepunkten zu vergleichen sind. Genau diese Herausforderungen und kleinen Unwegsamkeiten, sind es, die gerade bei Olympia nicht nur die sportlichen, sondern auch mentalen Qualitäten der Aktiven besonders fordern und in der Vergangenheit schon dafür gesorgt haben, dass so manche Top-Favoriten am Ende ausgerechnet bei Olympia leer ausgingen. So blieb zum Beispiel Sarah Sjöström bei den Spielen 2008 und 2012 - obwohl damals bereits Weltspitze - ohne Medaille und spielte ihre Erfahrung dann erst 2016 sowie 2021 aus.

Lucas Matzerath kennt die Besonderheiten von Olympia bereits von den Spielen in Tokio, trotzdem hat er sich auf einen Punkt gezielt vorbereitet: "Vor so einem Publikum zu schwimmen, das ist schon Wahnsinn. Ich hab mir extra Videos früherer Olympischer Spiele angeschaut, um mich mental darauf einzustellen", erzählt der in Bochum trainierende Frankfurter, der bei den "Coronaspielen" 2021 noch vor leerer Kulisse schwimmen musste. Diesmal ist die Arena packend voll. Schon in den Vorläufen am Samstag herrschte Stadionatmosphäre.

Mentale Vorbereitung, Improvisationen vor Ort oder einfach Kopf abschalten - man muss mit den Besonderheiten von Olympia umzugehen wissen. Die nächsten Tage werden zeigen, welche Strategien die Schwimmerinnen und Schwimmer in Paris wählen, um diese Herausforderung zu bewältigen. 

Die wichtigsten Links zu den Olympischen Spielen 2024:

Bild: IMAGO / ZUMA Press Wire