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05. August 2021

(05.08.2021) Es war ein beeindruckender Auftritt von Florian Wellbrock zum Abschluss der Schwimm-Events bei den Olympischen Spielen in Tokio. Mit einer taktischen Meisterleistung dominierte der 23-Jährige das Feld über die 10km im Freiwasser und schwamm souverän zu Gold. Ein historischer Erfolg: Es war der erste deutsche Olympiasieg bei den Herren seit Michael Groß vor 33 Jahren bei den Spielen in Seoul Platz eins über die 200m Schmetterling belegte und Uwe Daßler an selber Stelle die 400m Freistil gewann.

Nach 1:48:33 Stunden sicherte sich Wellbrock im Odaiba Marine Park unangefochten Platz eins vor dem Ungarn Kristof Rasovszky und Gregorio Paltrinieri aus Italien. Beeindruckende 25 Sekunden Vorsprung hatte Wellbrock im Zlel. VIDEOS des Rennens gibt es hier: VIDEO: Der packende GOLD-Coup von Florian Wellbrock

„Das Ziel war es, eine Medaille zu holen. Auf Gold habe ich tatsächlich nicht spekuliert", meinte er nach dem Rennen bei den Kollegen vom ZDF. Es war eine dominante Vorstellung des deutschen Ausdauerspezialisten. Bei seinen Starts im Becken hatte es Wellbrock in der zurückliegenden Woche jeweils verpasst, früh im Rennen das Tempo zu diktieren. Sowohl über die 800m als auch auf den mit Bronze veredelten 1500m musste er sich auf der letzten Bahn noch von seinen Gegnern abfangen lassen. Im Freiwasser sollte das heute anders laufen. Wellbrock war von Beginn an darauf bedacht mit hohem Speed das Feld der Medaillenkandidaten möglichst klein zu halten und die Taktik, die er sich mit seinem Coach Bernd Berkhahn zurecht gelegt hatte, ging voll auf. "Vielleicht habe ich diesen kleinen Dämpfer über 800m gebraucht, um heute so stark wieder zu kommen“, so Wellbrock.

Schon der Start ins Rennen war eine Kampfansage von Wellbrock. Von der ersten Sekunde an setzte er sich an die Spitze und zog sofort von der Konkurrenz weg. Bei der ersten Zeitmessung nach 900m hatte Wellbrock bereits zehn Sekunden Vorsprung auf die Verfolger, zu denen hier auch noch sein Teamkollegen Rob Muffels gehörte. Nach der Auftaktrunde konnten nur der Franzose Marc-Antoine Olivier und Kristof Rasovszky am Magdeburger dran bleiben. Der Vorsprung des Trios war schnell auf mehr als 30 Sekunden angewachsen. "Jungs, wollt ihr heute keinen Wettkampf schwimmen?", habe er sich zu diesem Zeitpunkt gedacht, wie er später erzählte. Mehr dazu hier: "Für mich ist das heute mein Sommermärchen"

Die Verfolger waren nun also gefordert. Nach etwas mehr als drei Kilometern schaltete der Titelverteidiger Gregorio Paltrinieri einen Gang nach oben und schickte sich an, die Lücke wieder zu verkleinern. Zum Ende der dritten von sieben Runden betrug der Abstand nur noch 18 Sekunden. Das Tempo war bei 29°C Wassertemperatur und einer drückenden Luftfeuchtigkeit von 85 Prozent hoch. Rob Muffels lag zu diesem Zeitpunkt als 17. bereits mehr als eine Minute zurück und Wellbrock gab zum ersten Mal im Rennen die Führung an Olivier bzw. Rasovszky ab. 

Wellbrocks Flucht nach vorn hatte zu Beginn ein wenig Erinnerungen an die Olympischen Spiele 2016 geweckt. In Rio überraschte vor fünf Jahren der Australier Jarrod Poort mit einem fulminanten Alleingang, durch den er zur Hälfte des Rennens mehr als eine Minute Vorsprung auf den Rest des Feldes hatte. Doch die Kraft reichte nur für 8,5km, dann musste Poort seine Medaillenambitionen begraben und sich vom Feld einholen lassen. Am Ende wurde er durchgereicht bis auf den letzten Platz. Ein Schicksal, das Wellbrock heute erspart blieb, weil er nicht einfach auf Teufel komm raus versuchte vorn weg zu gehen, sondern sein Tempo taktisch klug wählte.

Zur Hälfte des Rennens hatte das Spitzentrio noch etwa zehn Sekunden Abstand zur fünfköpfigen Verfolgergruppe um Paltrinieri, die nun Zug um Zug aufschloss. Weitere 20 Sekunden dahinter folgte der Titelverteidiger Ferry Weertman aus den Niederlanden, der heute im Kampf um die Medaillen keine Rolle spielte.

Mit Beginn der fünften Runde zog Wellbrock das Tempo wieder etwas an und verkleinerte so erneut das Feld der potentiellen Medaillenkandidaten. Auf der Schlussrunde hatte sich die Spitzengruppe auf sechs Schwimmer reduziert und Wellbrock stürmte endgültig auf und davon, um es diesmal nicht wie im Becken auf einen Schlusssprint ankommen zu lassen. 500m vor dem Ziel lag Wellbrock bereits mit satten 16 Sekunden in Führung. Ein Vorsprung, den er sich nicht mehr nehmen ließ, sondern im Gegenteil noch einmal ausbaute. Der Konkurrenz ließ er heute schlichtweg nicht den Funken einer Chance. Nach dem WM-Sieg 2019 stellte Wellbrock erneut unter Beweis, dass er über die 10km derzeit der beste Freiwasserschwimmer der Welt ist.

Bei den Weltmeisterschaften vor zwei Jahren hatte es Wellbrocks Vereinskamerad Rob Muffels noch aufs Podest geschafft, doch heute konnte er die hohe Geschwindigkeit nicht mitgehen. Mit viereinhalb Minuten Rückstand verpasste er auf Rang elf knapp die Top Ten.

Die deutschen Schwimmer beenden die Olympischen Spiele nun mit drei Medaillen. Neben Gold und Bronze durch Wellbrock gab es auch für dessen Magdeburger Teamkollegin Sarah Köhler einen dritten Platz in Tokio. Das beste Ergebnis für die deutsche Nationalmannschaft seit den Spielen 2008 in Peking, als Britta Steffen zweimal Gold holte und Thomas Lurz Bronze aus dem Freiwasser fischte.

"Ich denke mal, insgesamt der DSV, Abteilung Schwimmen und Freiwasserschwimmen, kann damit sehr, sehr zufrieden sein. Gestern hat Leonie Beck über die zehn Kilometer auch den starken fünften Platz geholt und heute zum Abschluss nochmal für alle eine Goldmedaille. Ich glaube, wir können damit alle zufrieden sein und es geht ein bisschen bergauf", meint Wellbrock mit Blick auf das Gesamtergebnis.

Die Links zu den Olympischen Spielen 2021:

BILD: IMAGO / Insidefoto