(29.07.2021) Hoffnungen und Enttäuschungen, Überraschungen und Favoritensiege, gelungene Comebacks und traurige Abschiede. Das ist er Stoff, aus dem bei Olympia die Geschichten geschrieben werden. Auch der Heidelberger Philip Heintz wollte sich in Tokio mit einer Medaille in der Historie der großen Spiele verewigen. Doch statt in der kommenden Nacht einen Angriff auf Edelmetall zu starten, musste der 30-Jährige Routinier heute bereits im Halbfinale die Segel streichen. Das Ende seiner Olympia-Ambitionen nahm der erfahrene Nationalschwimmer mit Fassung.
"Natürlich tut es weh, aber ich bin dankbar für all die Erinnerungen, die ich über die Jahre hinweg sammeln konnte", schreibt Heintz, der 2012 zum ersten Mal zum Olympiateam gehörte. „Ich habe alles gegeben und kann mir nichts vorwerfen", meinte er, nachdem er im Halbfinale in 1:58,13 Minuten den Einzug in den Endlauf um eine halbe Sekunde verpasst hatte, direkt nach dem Rennen. "Ich dachte, dass ich hier sehr schnell schwimmen kann. Schade, dass es nicht geklappt hat."
Für Heintz war es die zweitbeste Leistung des Jahres nach der 1:57,72 aus dem Vorlauf. Als WM-Vierter von 2019 war er bereits für Olympia gesetzt, musste sich daher nicht durch die Qualifikationsphase quälen. Dementsprechend rar machte sich der erfahrene Lagenspezialist in dieser Saison. Nur bei wenigen Wettkämpfen stieg er auf den Block und verzichtete sogar darauf, die Vorbereitung mit dem deutschen Team in Japan zu bestreiten.
Ein Plan, der im Vorlauf noch aufzugehen schien. Auf dem Weg zu seiner 1:57er Zeit machte Heintz einen lockeren Eindruck, zeigte eine entspannte erste Rennhälfte und sah am Ende durchaus so aus, als könne er noch ein paar Körner drauflegen. Im Halbfinale wählte er dann eine andere Strategie. Gegen die eng beieinander liegende Konkurrenz ging er schon die ersten 50m eine gute Sekunde schneller an als noch am Mittag zuvor. Doch dann zeigte sich mal wieder, dass es auf den Lagenstrecken - auch aufgrund der komplexen Anforderungen der vier Schwimmarten - oft anders kommt, als geplant. "Ich war sehr schnell fest", meint Heintz zu seinem Rennen, das ihm eigentlich wie schon 2016 einen Platz im Olympiafinale bescheren sollte.
Vor fünf Jahren flog Heintz als Underdog zu den Spielen. Zwar hatte er mit dem Titel als Kurzbahn-Europameister 2013 und Silber bei der Heim-EM 2014 schon seine internationalen Qualitäten angedeutet. Heintz' Langbahn-Bestzeit (1:58,31) war damals aber langsamer als die Leistung, mit der er diesmal in Tokio ausschied. Trotzdem hatte er selbst seine ganz persönlichen Ambitionen bei den Olympischen Spielen 2016. Im Halbfinale von Rio deutete Heintz diese mit einem Deutschen Rekord von 1:57,59 Minuten und dem Sprung in den Endlauf an, wo er sich noch einmal um elf Hundertstel steigerte. Doch statt Freude über den sechsten Platz, den er damals im Finale erzielte, gab es nach dem Anschlag bittere Tränen. Heintz wusste, was in ihm steckte und hatte die Medaillen fest im Blick gehabt.
Dass er das Prädikat Weltspitze verdient, stellte er am Jahresende mit Silber bei der Kurzbahn-WM und im nach-olympischen Sommer auch auf der Langbahn unter Beweis. Auf dem Weg zu den Weltmeisterschaften 2017 nach Budapest lieferte er in 1:55,76 Minuten einen Deutschen Rekord ab, mit dem man auch in Tokio zu den Medaillenkandidaten zählen würde. Doch gegen die globale Elite konnte er diese Leistung bei den Titelkämpfen in Ungarn nur wenige Wochen später nicht wiederholen. Mit Platz sieben musste er sich diesmal zufrieden geben. Im Jahr darauf klappte es dann wieder mit einer weiteren Medaille auf der wichtigen Langbahn. Bei der EM 2018 in Glasgow gab es wie vier Jahre zuvor erneut Silber. An selber Stelle ließ Heintz 2019 noch einmal Bronze bei der Kurzbahn-EM folgen. Insgesamt achtmal stand Heintz in seiner Laufbahn auf internationalen Meisterschaftspodesten. Nicht viele deutsche Schwimmer seiner Generation können das von sich behaupten.
„Ich habe zehn Jahre lang meinen Traum gelebt", erklärt Heintz, der seinen Auftritt in Tokio sichtlich genossen hat. "Es gibt nichts Schöneres, als aufzuhören auf dem Peak, auf dem es einem so viel Spaß macht wie damals, als man angefangen hat.“ Ein bisschen Spaß will er sich noch gönnen. Unter anderem steht ab Ende August die International Swimming League in seinem Kalender. Mit dem Jahresende will Heintz dann aber die Wettkampfbrille an den Nagel hängen, oder in eine Ehrenkiste zu den internationalen Medaillen und unzähligen unvergesslichen Erinnerungen packen.
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