(19.07.2021) Wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele steigt die Spannung und auch bei so manchem Athleten fängt es so langsam an zu Kribbeln. Ganz cool hingegen präsentiert sich derzeit Deutschlands Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock. Souveränität und Selbstsicherheit strahlt er aus. Der Magdeburger ist gut drauf und traut sich einiges zu in Tokio.

Klar, er hat EM-Gold (2018) und WM-Gold (2019) in der Tasche. Da muss man sich nicht gerade verstecken. Insgesamt drei Starts stehen für Wellbrock bei Olympia auf dem Programm. Über die 800m (27./29.07.) und 1500m Freistil (30.07./01.08.) tritt er im Becken an. Anschließend geht es ins Freiwasser (05.08.). 

Man merkt, dass es ihm ein Event besonders angetan hat. "Es sind Olympische Spiele und man ist natürlich heiß auf jedes Rennen", erklärt Wellbrock per Videopressekonferenz gegenüber den deutschen Medienvertretern. "Aber das 1500m-Rennen überwiegt vielleicht doch minimal, allein aus dem Grund, dass ich es schön fände nach dem Titel als Europameister und Weltmeister auch die Olympia-Medaille mitzunehmen. Vielleicht sogar Olympisches Gold."

Zuzutrauen wäre es ihm allemal. Mit seiner Vorleistung von 14:36,45 Minuten schwamm Wellbrock schon im April bis auf drei Zehntel an seinen Deutschen Rekord heran, mit dem er der viertbeste Athlet aller Zeiten ist. Seitdem kam er ohne Probleme durch das Training, absolvierte in Vorbereitung auf die Spiele gleich zwei Höhentrainingslager hintereinander und auch im deutschen Camp im japanischen Kumamoto läuft derzeit alles nach Plan. Die Belastungsserien stimmen Wellbrock und seinen Coach Bernd Berkhahn positiv. "Das gibt Selbstvertrauen und Sicherheit", meint der Bundestrainer.

Auch ein guter Start in die Olympischen Spiele könnte Wellbrock Wind unter die Flügel geben. Den Auftakt bestreitet er über die 800m Freistil. Bei der WM 2019 schied er über diese Stecke im Vorlauf aus. Ein Rückschlag, der sich in Tokio nicht wiederholen soll. Den Speed dafür dürfte er mitbringen. "Ich habe in diesem Jahr gezeigt, dass ich schnelle 400m schwimmen kann, was eine gute Voraussetzung für die 800m ist", so Wellbrock, der über die 400m in 3:44,35 Minuten an fünfter Stelle der Weltrangliste liegt, aber auf dieses Event in Tokio verzichtet. 

Zudem gibt es im Vergleich zur WM 2019 einen wichtigen Unterschied. Als Wellbrock damals die 800m in Angriff nahm, hatte er bereits das mit Gold gekrönte 10km Freiwasserrennen in den Knochen. Bei Olympia ist die Reihenfolge umgekehrt. Auch angesichts der brutalen Wassertemperaturen von um die 30°C, die in Tokio zu erwarten sind, kommt das den Athleten entgegen. "Wäre das 10km-Rennen vorher, würde es angesichts der Temperaturen wahrscheinlich noch mehr Kraft rauben, als es das ohnehin schon tut. So gesehen ist die Konstellation jetzt deutlich besser als bei der WM 2019", erklärt der 23-Jährige und sein Coach sieht es ähnlich: "Diese Reihenfolge ist für alle, die sowohl im Becken als auch Freiwasser starten, einfacher. Der technische Anspruch im Becken ist viel höher. Wenn man dann die 10km als Vorbelastung hat, in einem Gewässer, in dem keine Pool-Bedingungen herrschen, dann ist es eine große Herausforderung, auch im Becken wieder schnell sein zu können." 

Von der im Vergleich zur WM umgekehrten Abfolge werden auch Wellbrocks Gegner profitieren, wobei dies außer den Deutschen lediglich zwei weitere Athleten betrifft. Nur Wellbrock, der Franzose David Aubry und Italiens Superstar Gregorio Paltrinieri bestreiten das Becken-Freiwasser-Double. Hinter Paltrinieri steht derzeit ein dickes Fragezeichen. Beim amtierenden 1500m Olympiasieger wurde vor wenigen Wochen Pfeiffersches Drüsenfieber diagnostiziert. Eine Krankheit, die unter Schwimmern aufgrund der negativen Auswirkungen auf Ausdauerleistungen gefürchtet ist. Wer jetzt meint, eine solche Nachricht von der Konkurrenz würde im Wellbrock-Lager für Freude sorgen, der irrt gewaltig.

"Ich war traurig, das zu hören und hatte ihm auch direkt Genesungswünsche ausgerichtet", berichtet Wellbrock. Ähnlich sieht es Bernd Berkhahn. "Wir sind recht eng verbunden mit Gregorio und seinen Trainern. Da besteht ein freundschaftliches Verhältnis und so etwas wünscht man keinem Leistungssportler." Der erfahrene Trainer warnt davor, Paltrinieri zu früh abzuschreiben. "Manchmal ist es auch so, dass Athleten aus solch einer Notsituation Kräfte mobilisieren können, die man eigentlich nicht erwartet hätte." Der Italiener stelle nach wie vor eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar. "Du musst deinem Gegner alles zutrauen, was du dir auch zutraust. Ansonsten nimmst du ihn nicht ernst und das wäre dein erster Fehler."

Um Fehlern vorzubeugen, haben Wellbrock und Berkhahn alle möglichen Szenarien und Rennverläufe im Kopf bereits durchgespielt. Dass das Taktieren eine Stärke des Trainer-Sportler-Duos ist, haben sie bei den zurückliegenden Top-Events bewiesen. Aber auch über das Jahr hinweg hat Wellbrock die Konkurrenz stets im Blick. "Ich schaue sehr oft und sehr häufig in die Weltranglisten. Ich beobachte rund um die Welt, was geschwommen wird, um auf dem aktuellen Stand zu sein und das auch als zusätzlichen Reiz für das Training mitzunehmen."

Er sei ein Zahlenmensch, meint Wellbrock. Doch bei Olympia hat er nicht die Uhr sondern das Podest im Blick. "Wenn ich 14:40 schwimme und Olympiasieger werde, dann bin ich vollauf zufrieden. Wenn ich 14:30 schwimme, was derzeit ein neuer Weltrekord wäre, aber vier Leute schneller waren und ich nur auf Platz fünf lande - ich weiß nicht, ob ich damit zufrieden wäre. Denn letztlich werden wir an Medaillen gemessen und nicht an Zeiten." Man merkt: Florian Wellbrock hat ein Ziel und am Selbstbewusstsein wird sein Kampf um das WM-EM-Olympia-Triple nicht scheitern.

Die Links zu den Olympischen Spielen 2021:

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