(27.04.2018) Nach der abgeschlossenen Schulausbildung stellt sich für viele Leistungssportlerinnen und Leistungssportler die Frage: „Höre ich mit dem Sport auf?“ Oft ist der Grund für das Karriereende nicht die fehlende Leistungsfähigkeit, Trainingsmotivation oder der ausbleibende Erfolg. Vielmehr ist von Fall zu Fall eine ungeklärte Perspektive der dualen Karriere aus Sport und Bildung/Beruf verbunden mit einer unzureichenden finanziellen Unterstützung der Ausgangspunkt für die Beendigung des sportlichen Engagements.

Die Polizei Hessen rief aus diesem Grund im Jahr 2005 das Pilotprojekt „Sportfördergruppe Polizei im gehobenen Dienst“ ins Leben. Basierend auf dem Modell der Sportfördergruppe für Wintersport aus Thüringen entwickelten das hessische Innenministerium zusammen mit der Polizei Hessen und dem Landessportbund Hessen diese Initiative. Auch andere Bundesländer und Behörden haben sich mittlerweile am Projekt der hessischen Polizei orientiert und eigene Sportfördergruppen etabliert. Intern gilt das Modell aus Hessen als Vorzeigemodell, da es sich durch die gute Struktur und Planung seit knapp anderthalb Jahrzehnten bewährt.

Einer der ersten Sportler, die Teil der hessischen Sportfördergruppe wurden, ist der Olympiateilnehmer und zweifache Weltmeister Christian Reichert. Er selbst zeigt sich äußerst zufrieden mit dem damals aufgestellten System. „Andere Bundesländer haben das gesehen und uns das nachgemacht“, sagt der 32 Jahre alte Polizeioberkommissar, als wir uns die Bedingungen der Sport-Polizisten vor Ort in Wiesbaden anschauen, wo an der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung und in der Bereitschaftspolizei die Ausbildung stattfindet. Mit der Einstellung in den gehoben Dienst unterscheidet sich das Modell von anderen Bundesländern sowie den Sportfördergruppen von Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll. 

Die Ausbildungszeit ist durch die vollständige Freistellung für Sportveranstaltungen, wie zum Beispiel Wettkämpfe, Training und Trainingslager von 3 auf 4,5 Jahre verlängert worden. „Das gibt uns die Möglichkeit morgens zum Training zu gehen und dann in in den Lehrsaal. Nach den Lehrveranstaltungen gehen wir wieder ins Training“, sagt Reichert. Auch Jenny Mensing ist seit 2007 Angehörige der hessischen Polizei. Mensing hat sich wie Reichert zum einen aus Interesse am Polizeiberuf für die Laufbahn entschieden, dennoch nennen beide auch die hohe Flexibilität in Bezug auf den Sport, Trainingsbedingungen und die berufliche Sicherheit als Gründe für die Berufswahl. Mensing betont: „Sollten wir nicht weiter unsere Leistungen erfüllen, haben wir eine Übergangszeit von 1,5 Jahren. Diese dient uns dann zum Abtrainieren und zur Eingliederung in den regulären Dienst“. Mensing und Reichert sind beide verbeamtet und haben somit auch nach dem Ausscheiden aus der Sportfördergruppe eine berufliche Perspektive bei der Polizei. 

Finanziell sind die Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter gut aufgestellt. Mit einer Besoldung von 1200 bis 1300 Euro in den ersten drei Jahren erhalten sie das reguläre Anwärtergehalt. Mit abgeschlossener Ausbildung steigt das Gehalt auf die Stufe A9, also rund 2200 Euro pro Monat. Seit Oktober 2017 ist auch Samira Erhart im Team der Sportfördergruppe Hessen. Die 19 Jahre alte Sportlerin wechselte kürzlich das Startrecht nach Wiesbaden. Sie wohnt nun in der Nähe der Hochschule in einer WG und zeigt sich mit den Trainingsbedingungen in Wiesbaden zufrieden. „Ich kann durch den Fokus auf den Sport nun mehr trainieren. Das wirkt sich sehr auf meine Leistungen aus.“ Wiesbadens Cheftrainer Oliver Großmann trainiert die polizeigeförderten Schwimmerinnen und Schwimmer des SC Wiesbaden und betont: „Aus meiner Sicht arbeiten Polizei, Verband und Sportler sehr gut zusammen. Wir haben gute Trainingsbedingungen und versuchen den Sportlern eine bestmögliche Grundlage zu bieten.“ Er betreut sehr gerne die Sportlerinnen und Sportler der Sportfördergruppe und ist auf die Leistungen in der kommenden Saison sehr gespannt.

Christian Reichert hat bereits das Jahr 2020 im Blick, denn er will noch einmal zu den Olympischen Spielen. Um sich ganz auf den Sport zu konzentrieren, ist er vom regulären Dienst freigestellt. „Das gibt mir die Freiheit mich zu 100 Prozent auf den Sport zu fokussieren. Ich weiß, dass meine Familie und ich voll abgesichert sind“, sagt der Familienvater. Momentan schwimmt er rund 3000 km im Jahr. „Ich kenne kein Modell, in dem ich das sonst könnte“, fügt er hinzu.

Die Sportfördergruppe ermöglicht des Weiteren auch das Training im Ausland. Auf eigenen Antrag kann ein Trainingsplatz auch in anderen Ländern gefördert werden. Dies ist allerdings erst nach der abgeschlossenen Ausbildung möglich. Jenny Mensing zum Beuspiel nutzt das. Sie trainiert derzeit in Wien und erhält volle Unterstützung durch die Polizei.  

Einstellungstermin für die Sportfördergruppe ist stets im September. Die Bewerbung steht jedem offen, der mindestens die Fachhochschulreife erworben hat. Es erfolgen dann der reguläre Einstellungstest bei der Polizei und die Prüfung der sportlichen Leistungen und Perspektiven durch die Polizei und den Verband. Wenn diese Hürden überwunden werden, steht der bewährten Förderung durch die Polizei nichts im Wege.

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