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(08.04.2021) Es war eine recht kurze Mitteilung des Deutschen Schwimm-Verbands wenige Tage vor Ostern: Man habe einen "Kurswechsel" vollzogen und werde nun doch nicht mit dem tags zuvor als Interimslösung für den Posten als Sportdirektor präsentierten Dirk Klingenberg zusammenarbeiten. Die sei "gemeinsam" mit Klingenberg entschieden worden, schrieb der DSV. Dass es wohl doch nicht so ganz einvernehmlich war, zeigt die Welle der Kritik, die sich über die Feiertage aufgebaut hat und über die Führungspersonen des Verbands geschwappt ist. Als Kandidat, um für ruhigere Fahrwasser auf dem Weg nach Tokio zu sorgen, wird nun der frühere Starschwimmer Michael Groß gehandelt, wie der Verband gegenüber swimsportnews bestätigte.

Im Zentrum steht die Frage, wie der Leistungssport in den kommenden Monaten bis zu den Olympischen Spielen geführt werden soll. Die Personalie Klingenberg, von dem das DSV-Präsidium Abstand nahm, weil er sich für Sponsorengelder vor ein paar Jahren mit einigen Wasserballerkollegen an der Seite leicht bekleideter Damen eines Berliner Großbordells ablichten ließ, war letztlich nur weiterer Zunder, um die Diskussion um den Sportdirektorenposten weiter anzuheizen. Gleich von drei Seiten bekommt das DSV-Präsidium nun Feuer. 

Zum einen kritisieren Weggefährten und auch Klingenberg selbst den Umgang mit seiner Person. Zum anderen wandten sich in den zurückliegenden Tagen sowohl die Präsidenten von fünf Landesverbänden (Niedersachsen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen) als auch mehrere Bundestrainer und eine Athletensprecherin in zwei separaten Schreiben an das DSV-Präsidium mit der Forderung, für Klarheit in der Sportdirektorfrage zu sorgen. Beide Briefe liegen swimsportnews vor und sowohl die Landesverbände als auch die Fraktion aus dem Leistungssport setzen sich für eine "Rehabilitierung" von Thomas Kurschilgen ein, der bis Februar die Geschicke des Leistungssport im DSV führte. Die Besetzung der Sportdirektorenposition durch ihn habe zu "einer deutlich strukturierteren und professionelleren Arbeit im Leistungssport" geführt, schreiben die Landesverbandspräsidenten. Die Rede ist von einem stattlichen Mittelzuwachs von 1,5 Millionen Euro u.a. für das Leistungssportpersonal, der auf das Wirken Kurschilgens zurückzuführen sei.

Auf die Frage, ob man eine Rückkehr Kurschilgens auf den Posten als Leistungssportdirektor in Erwägung ziehe, wiederholte der DSV gegenüber swimsportnews zwar wie schon gegenüber anderen Medien, dass man zu "schwebenden Verfahren" keine Auskunft gebe. Dafür bestätigte der Verband, dass ein anderer Name für eine neue Übergangslösung im Gespräch ist: 

"Aktuell prüfen wir alle Möglichkeiten einer Interimslösung bis Tokio", teilt uns der DSV im Namen von Präsident Marco Troll mit. "Dafür liegen bereits Personalvorschläge vor, einer von ihnen ist Michael Groß." Den dreifachen Olympiasieger hatten die Bundestrainer in ihrem Schreiben ans Präsidium ins Spiel gebracht. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dementierte Groß zuletzt zwar, dass er als Übergangslösung bereit stünde. Dass der DSV ihn nun aber namentlich als Kandidaten hervorhob, lässt vermuten, dass zumindest die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit dem einstigen Weltstar besteht. Am Mittwoch zitiert die Nachrichtenagentur dpa den 56-Jährigen mit den Worten: "Der DSV ist am Zug. Mehr möchte ich dazu derzeit nicht sagen."

"Eventuell könnten auch mehrere Personen eingebunden werden, damit sich die Last besser verteilt", so der Verband weiter. Schon nach der Trennung von Kurschilgen sollten dessen Aufgaben zum Teil von den DSV-Bundestrainern übernommen werden. Eine Lösung, die im Schreiben der Coaches deutlich kritisiert wird. Die Olympischen Spiele stehen bevor und die Qualifikationsphase der Beckenschwimmer läuft nur noch anderthalb Wochen. Verantwortlich dafür, die potentiellen Olympiakandiaten dem Deutschen Olympischen Sportbund zur Nominierung vorzuschlagen, ist der derzeit nicht vorhandene Leistungssportdirektor. Dass dessen Aufgaben von den Bundestrainern oder der vom DSV eingebundenen rosenbaum nagy unternehmensberatung übernommen würden, halten die Verfasser des Schreibens für nicht "adäquat". 

Verbandspräsident Troll lässt nun mitteilen, man habe sich darüber ausgetauscht und suche nun "nach Lösungen, um gut organisiert und optimal vorbereitet die Olympischen Spiele zu bestreiten". Für die langfristige Wiederbesetzung der Stelle als Direktor Leistungssport über die Olympischen Spiele hinaus sähe man eine entsprechende Ausschreibung vor, lässt uns der Verband wissen. Das klingt nicht danach, dass man Kurschilgen rehabilitieren wolle.

Bis Februar saß dieser eigentlich fest im Sattel, zumindest nach außen hin. Im Herbst 2018 trat der erfahrene Sportfunktionär sein Amt beim DSV an und leitete wenig später nach dem Rücktritt von Präsidentin Gabi Dörries sogar gemeinsam mit den Vizepräsidenten Wolfgang Hein und Uwe Brinkmann den gesamten Verband. Hein gehört als Präsident des niedersächsischen Verbands nun auch zu den Wortführern der Kritik am im November erst neu gewählten DSV-Vorstand um Marco Troll. Warum sich die Verbandsspitze von Kurschilgen trennte und ihm, wie zuletzt sowohl die Süddeutsche Zeitung als auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung übereinstimmend berichteten, fristlos kündigte, ist nach wie vor unklar.

Der Verband bestätigte lediglich, dass der bisherige Sportdirektor am 22. Februar "freigestellt" wurde. Kurz zuvor hatte der SPIEGEL über Missbrauchsvorwürfe gegen den mittlerweile zurückgetretenen Freiwasser-Bundestrainer berichtet. Die Trennung von Kurschilgen wenige Tage später wurde damit in Verbindung gebracht. Dieser habe nicht entschlossen genug gehandelt, nachdem er von den Vorgängen um den bereits vorbelasteten Bundestrainer erfuhr. Die Seite Kurschilgens bestreitet diese Leseweise jedoch vehement und auch Medienberichte legen nahe, dass er damals alles gemäß den Protokollen weitergeleitet habe. Stattdessen sei der bis dahin als "starker Mann" im Verband geltende Sportdirektor dem neuen Präsidium bereits seit Amtsantritt im November ein Dorn im Auge gewesen.

Das unglückliche Klingenberg-Intermezzo scheint nun die unterschwelligen Grabenkämpfe im DSV an die Oberfläche zu spülen. Der Verband werde öffentlich "verspottet", beklagen so die Präsidenten, die fünf der insgesamt 18 Landesverbände vertreten. Eine Zahl, die bei nur 16 deutschen Bundesländern zeigt, dass es sich beim Gebilde des DSV, dem als Mitglieder selbst nur die Landesverbände angehören, um eine auf lange Tradition zurückgehende Struktur handelt. In diesem Zusammenspiel quietschte es in der Vergangenheit immer mal wieder.

"Im DSV gab es nur wenige Zeiträume, in denen Aktive, Trainer*innen und Betreuer*innen ruhig und konzentriert ihre Arbeit erledigen konnten", beschreibt es so auch die Präsidentengruppe um Wolfgang Hein. Die vergangenen zweieinhalb Jahre der Amtszeit von Thomas Kurschilgen hätten zu diesen seltenen ruhigen Phasen gehört. Nun herrscht wieder Unruhe im Verband und der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein. Viel Zeit, um eine Lösung zu finden, bleibt nicht. Der Schwimmsport befindet sich in der wichtigsten Phase des Olympiazyklus. Die Qualifikation für Tokio liegt in den letzten Zügen und bereits in drei Monaten soll der Flieger mit dem deutschen Team nach Japan abheben. Wir werden sehen, ob der Albatros Michael Groß dann die Mannschaft lotst.

Bild links: : CC-BY-SA-4.0 / EW-Fotos

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