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05. Dezember 2018

(05.12.2018) In der kommenden Woche sind Deutschlands Spitzenschwimmer mal wieder gefordert. Nahezu zeitgleich geht es bei der Schwimm-DKM in Berlin und den Kurzbahn-Weltmeisterschaften in China auf die Jagd nach Medaillen und Platzierungen. Doch die für die Zukunft der Athleten und des gesamten DSV wahrscheinlich viel bedeutenderen Entscheidungen fallen bereits am Wochenende zuvor außerhalb des Wettkampbeckens: Für den 8. Dezember hat der Deutsche Schwimm-Verband einen außerordentlichen Verbandstag anberaumt. Bei diesem steht nichts Geringeres als das Herz des Verbandes zur Debatte: Die Satzung des DSV.

Zwei Jahre nachdem das Team um Gabi Dörries die Wahl ums DSV-Präsidium gewinnen konnte, soll am Wochenende in Bonn über ein umfangreiches Reformpaket für den Verband abgestimmt werden. Auf der Agenda stehen ein neues Finanzkonzept, tiefgreifende Veränderungen in der Verbandstruktur und ein neues Marketingkonzept. „Die Reformen werden nötig, um mit den zahlreichen Anforderungen, die auf den DSV in den letzten Jahren herangetragen wurden und in den kommenden Jahren noch kommen werden, zukunftsfähig aufgestellt zu sein“, erklärt Dörries auf schriftlichem Weg im Vorfeld des Verbandstages gegenüber swimsportnews.

Es sind umfangreiche Reformen, deren Entwurf die Unternehmerin aus Norddeutschland eigentlich direkt nach ihrem Amtsantritt im November 2016 angehen wollte. Doch die Mühlen des deutschen Sports nahmen sie sofort in Beschlag. Förderanträge, die eigentlich bis Oktober hätten abgegeben sein müssen, waren überfällig und ein Prüfungsbericht des Bundesverwaltungsamtes attestierte dem Verband eine nichtordnungsgemäße Geschäftsführung, für die umgehend ein neues Konzept entwickelt werden musste. „Ich wurde sozusagen mit Amtsantritt ins Wasser geschubst und musste ab dem ersten Tag eigenständig lernen, an der Oberfläche zu schwimmen und mit allen Überraschungen, die mir in den letzten beiden Jahren begegnet sind, umzugehen“, meint Dörries zurückblickend.  Eine der schwierigsten Hürden kam dabei im Schlepptau mit den eigentlich ja so gern gesehen öffentlichen Fördermitteln. Sobald eine Institution sich zu mehr als 50 Prozent aus Steuergeldern finanzieren lässt, gelten für diese strenge Auflagen. Beim Deutschen Schwimm-Verband liegt diese Quote derzeit bei 58 Prozent. Eine der verzwicktesten Regelungen, denen sich der DSV damit unterwerfen muss, ist das sogenannte „Besserstellungsverbot“. Dieses besagt, dass Mitarbeiter einer zu überwiegenden Teilen aus öffentlichen Geldern finanzierten Institution nicht mehr verdienen dürfen als Beschäftigte in vergleichbaren Positionen einer Bundesbehörde. Klingt erstmal halb so wild, in der Praxis zieht es aber einen bürokratischen Rattenschwanz hinter sich her. Denn um dies zu prüfen, muss für jede Verwaltungsstelle innerhalb des Verbandes eine Stellen- und Tätigkeitsbeschreibung nach öffentlichen Vorgaben erstellt und anschließend vom Bundesverwaltungsamt abgenickt werden. „Durch die Regelungen des Besserstellungsverbotes ist der DSV verpflichtet, in vielen Bereichen nach den Regeln einer Behörde zu arbeiten“, erklärt Dörries, die darin keine langfristige Perspektive für den Verband sieht.

 Wie kritisch es nämlich werden kann, wenn man am Tropf der öffentlichen Hand hängt, wurde zu Beginn des Jahres deutlich. Durch die langwierige Regierungsbildung im Anschluss an die Bundestagswahl 2017 wurde der Bundeshaushalt erst im Juli 2018 verabschiedet. So lange mussten auch die Sportverbände auf große Teile der dringend benötigten Fördermittel warten. Für die Spitzenathleten des Deutschen Schwimm-Verbandes standen in diesem Zeitraum aber die Vorbereitungsmaßnahmen für die European Championships in Schottland auf dem Plan, die natürlich allesamt bezahlt werden wollten. Um dies sicherstellen zu können, wurde durch den DSV in Windeseile die Gebühr für die Wettkampflizenzen erhöht, um weitere Eigenmittel zur Verfügung zu haben. Rund 231.000 Euro konnten dadurch zusätzlich generiert werden. „Ohne diesen Mittelzufluss hätten nicht alle Maßnahmen für die Vorbereitung unserer zahlreichen Nationalmannschaften auf den Saisonhöhepunkt stattfinden können“, meint Dörries zurückblickend. „Wir hätten dann entscheiden müssen, ob einzelne Sportarten nicht teilnehmen oder alle Sportarten nicht top vorbereitet an den Start gehen. Beide Situationen sehr unschön.“ Und es ist nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft nicht wieder zu ähnlichen Situationen kommt. „Auch im kommenden Jahr werden die Bundesmittel nicht schon im Januar zur Verfügung stehen, sondern vermutlich im Februar oder März. Es wird also wieder eine Vorfinanzierung erforderlich sein“, kündigt Dörries an. Und diese Vorfinanzierung läuft eben nur über Eigenmittel.

Ohne eine Stärkung der Eigenfinanzierung würde dem Verband durch das enge Korsett der öffentlichen Förderung so auch zukünftig immer wieder das Atmen erschwert werden. Um die Seite der Eigenmittel des DSV zusätzlich zu stärken, will Dörries daher ein heißes Eisen anpacken: Die Mitgliedsbeiträge. Ihr Plan: Eine Anhebung von 60 Cent pro Mitglied und Jahr soll etwa 300.000 Euro in die Kassen des Verbandes spülen. 60 Cent? Das scheint auf den ersten Blick nicht viel zu sein. Doch die Beiträge werden von den Landesverbänden an den DSV geleistet und da nicht alle Landesverbände diese Erhöhung direkt auf ihre einzelnen Mitglieder umlegen können, kann auf einige Landesverbände so auf einen Schlag ein nicht unerheblicher Budgetposten zukommen. Es ist also nicht allzu verwunderlich, dass es im DSV schon seit mehr als 30 Jahren keine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge mehr gegeben hat, was allerdings auch zeigt, dass eine solche Maßnahme allein schon aus inflationären Gesichtspunkten längst überfällig ist. Oder wie Dörries es bezeichnet: „Ein erster Schritt hin zu mehr Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeit.“ Dabei ist ihr durchaus bewusst, dass dies tatsächlich nur ein erster Schritt sein wird, dem weitere folgen müssen. „Stellschraube für die Zukunft kann aus meiner Sicht nur ein ausgewogenes Finanzierungskonzept sein, welches aus mehreren Säulen besteht und eine Gleichbehandlung aller Mitglieder sicherstellt“, erläutert Dörries. „Dies sind zum einen die Mitgliedsbeiträge, zum anderen die Sportgebühren und natürlich auch die Sponsorengelder und andere Geschäftsfelder, die wir uns parallel erschließen.“

Doch auch dabei legen die öffentlichen Vorgaben dem Verband immer wieder Steine in den Weg. „Solange wir zu über 50 Prozent vom Bund gefördert werden, sind wir verpflichtet, jeden Cent in die Förderung des Leistungssports zu investieren“, meint Dörries so zu Beispiel. Dies sei zwar die Kernkompetenz des Verbandes. Doch den etwa 400 Kader- und 65.000 Lizenzsportlern stünden insgesamt auch fast 500.000 weitere Mitglieder gegenüber, „für die wir eben auch ein umfangreiches und professionelles Angebot anbieten möchten.“ Dazu zähle unter anderem der große Bereich der Gesundheitsvorsorge, mit dem man eine weitere Säule für den Verband und seine Mitglieder errichten wolle. Bevor es aber dazu kommen kann, müssen die Waagschalen der Verbandsfinanzierung wieder zu Seite der Eigenmittel hin geneigt werden. Somit gilt es, im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten zu schauen, wo noch Potentiale liegen.

Ein Bereich, für den Dörries schon bei ihrem Amtsantritt Veränderungen versprach, ist die Verbandsvermarktung. Um diese neu aufzustellen wurde im Sommer die Vermarktungs- und Veranstaltungsagentur Rough Water& GmbH gegründet, an welcher der DSV zu 50 Prozent beteiligt ist. „Die Mitarbeiter der neuen GmbH werden geplant und gezielt für den DSV neue Geschäftsfelder erschließen“, kündigt Dörries an. Dazu gehöre es unter anderem auch für den DSV die Zusammenarbeit mit den Medien und der Öffentlichkeit zu stärken, „um seine Angelegenheiten und seine Positionen publik zu machen, um Themen zu besetzen, um Diskussionen anzuregen.“ All dies habe der DSV in der Vergangenheit vernachlässigt, bzw. anderen Verbänden überlassen. „Wir haben dadurch in der öffentlichen Wahrnehmung bei vielen Themen deutlich an Präsenz und Aufmerksamkeit verloren.“ Um hier nun wieder Boden gut zu machen und das Schwimmen stärker in den öffentlichen Blickpunkt zu rücken, will der Verband auch die eigenen Veranstaltungen nach außen hin öffnen. Den Anfang soll der „X-Mas Family Cup“ am Rande der Deutschen Kurzbahnmeisterschaften in der kommenden Woche machen (mehr dazu: PREMIERE: Der neue X-Mas Family Cup bei der Kurzbahn-DM), bei dem Zweierstaffeln aus jeweils einem Erwachsenen und eine Kind gegeneinander antreten – ohne Wettkampflizenz oder Vereinszugehörigkeit. „Ein weiterer Teil des Konzepts ist die Entwicklung neuer Wettkampfformate, sowohl für den Profi- als auch für den Jedermann-Bereich und wie es andere Sportarten erfolgreich zeigen, können durch die Kombination dieser beiden Zielgruppen diese zusammengeführt werden.“ Derartige Maßnahmen sowie die stärkere öffentliche Wahrnehmung sollen natürlich ebenfalls zu Verbesserungen auf der Einnahmenseite führen. Dies sei aber eher mittel- und langfristig zu erwarten, so Dörries.

Um den Verband nicht nur nach außen sondern auch nach innen moderner zu gestalten, sollen zudem die Verbandsstruktur neu aufgestellt, Gremien verschlankt und Aufgabenbereiche klarer definiert werden. „Der Spagat wird sein, die Vorgaben des Bundes, die uns mehr wie eine Behörde agieren lassen mit modernen Unternehmensstrukturen zu kombinieren, um uns die nötige Flexibilität für die Weiterentwicklung zu bieten“, meint die Präsidentin. Es ist daher angedacht, dass eine Mitgliederversammlung, die den bisherigen Verbandstag, Hauptausschuss sowie den Ausschuss für Satzungs- und Rechtsfragen zusammenfassen soll, zweimal pro Jahr „mögliche Anpassungen jeder Art“ vornehmen kann und so für Flexibilität sorgt. Zudem soll ein Kernproblem des DSV behoben werden: „Eine weitere offene Flanke, die die Verbandsentwicklung schonungslos aufgedeckt hat, war die mangelhafte Kommunikation“, meint Dörries. Dies betrifft auch den Leistungssport, der mittlerweile bereits hauptamtlich voll in den Händen des Sportdirektors und seines Teams der (Chef-)Bundestrainer liegt. Für diesen Bereich „ist eine Beratung aller leistungssportlichen Konzepte in den Länderfachkonferenzen vorgeschrieben, damit eine Information der Länder erfolgt und sinnvolle Tipps von der Basis an die Bundestrainer weitergegeben und berücksichtigt werden können.“ Zur besseren Kommunikation sollen auch regelmäßige Länderfachkonferenzen sowie eine Erweiterung des DSV-Präsidiums beitragen. „So kann jeder seine Stärken und sein Wissen einbringen und wir können uns im Team gegenseitig unterstützen“, hofft Dörries.

Eine effizientere Struktur, ein stabiles Finanzkonzept und eine aussagekräftige Vermarktung. Die Zukunft wird zeigen, ob sich der Deutsche Schwimm-Verband mit diesen Maßnahmen von den strengen Vorgaben der öffentlichen Hand emanzipieren kann. Die Weichen sollen am Wochenende in Bonn gestellt werden.