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15. November 2018

(15.11.2018) Ein brisanter Machtkampf innerhalb des Schwimmsports spitzt sich weiter zu: Das für Dezember geplante Energy for Swim 2018 in Turin muss abgesagt werden. Für den Wettkampf hatten etliche internationale Stars wie Adam Peaty und Sarah Sjöström ihr Kommen angekündigt. Das Problem: Die Organisatoren des Events befinden sich in einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit dem Schwimm-Weltverband FINA, die einen prägenden Einfluss auf den Spitzensport in den kommenden Jahren haben könnte.

Hinter allem steht die Frage: Wem gehört Schwimmsport und wem stehen die damit generierten Einnahmen zu? Die neu formierte International Swimming League (ISL) wollte hierfür die klare Antwort liefern und die Top-Athleten deutlich stärker an den Geldtöpfen beteiligen, als es bisher im Spitzenschwimmsport der Fall war. Die Schwimmer sollten bei mehreren Events rund um den Globus für Teams antreten und damit auch möglichen Team-Sponsoren eine attraktive Werbeplattform bieten.

Das Ziel: Innerhalb von fünf Jahren solle so ein Format geschaffen werden, das weltweit regelmäßig von 100 Millionen Zuschauern verfolgt werden würde. Die Sportler sollen dabei etwa die Hälfte der über die ISL generierten Einnahmen in Form von Antrittsgeldern und Prämien ausgezahlt bekommen.

Eine Idee, die schnell diejenigen auf den Plan rief, die bisher für internationale Wettkampfserien, Prämientöpfe und so weiter verantwortlich waren und es noch sind: Der Weltverband FINA. Bereits im Juni kündigte die FINA an, die ISL nicht anzuerkennen und von ihr geplante Schwimmwettkämpfe nicht genehmigen zu wollen. Die ISL-Verantwortlichen reagierten, das Event in Turin wurde in der Zwischenzeit zum eigenständigen Wettkampf, unabhängig von der ISL umfirmiert und sollte unter dem Titel "Energy for Swim" vom italienischen Schwimmverband organisiert werden.

Von der FINA anerkannte nationale Schwimmverbände können nach den Regeln der FINA Wettkämpfe veranstalten, bei denen auch internationale Athleten antreten. Solang die Schwimmer dabei nicht in Form einer Nationalmannschaft starten sondern für einen Verein oder ein Team, müssen diese Wettkämpfe auch nicht von der FINA genehmigt werden. Eigentlich. Obwohl die Athleten beim Energy for Swim Meeting eben genau "nur" für Teams starten sollten, deklarierte die FINA den Wettkampf zum "internationalen Event" und verweigerte die Genehmigung.

Dabei drohten die FINA-Bosse mit drastischen Maßnahmen: Sportler oder Verbände die mit von der FINA nicht anerkannten Organisationen zusammenarbeiten, können laut den Verbandsregularien eine Sperre von mindestens einem Jahr erwarten. Genau diese Sanktionen wolle man anwenden, sollte es zu dem Wettkampf in Turinkommen, erklärte die FINA in mehreren Briefen an ihre Mitgliedsverbände.

Diesem Druck gab der italienische Verband nun nach und sagte das Event ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten schon fast 50 internationale Top-Athleten ihre Teilnahme an dem Event angekündigt. Unter ihnen waren etliche Olympiasieger wie Adam Peaty, Sarah Sjöström, Katinka Hosszu, Cameron van der Burgh oder auch Federica Pellegrini. Ihnen allen hätte eine Sperre gedroht, hätte die FINA nach dem Event ihren Worten Taten folgen lassen. 

Ein vermeintlicher Sieg für die FINA, der sich aber noch bitter rächen könnte. Mit ihrem Verhalten begeben sich die Schwimm-Bosse nämlich auf rechtlich dünnes Eis. Erst vor weniger als einem Jahr hatte es die Europäischen Kommission der Internationalen Eislauf-Union (ISU) untersagt, zwei Athleten zu sperren, weil diese an einem nicht von der ISU organisierten und mit hohen Preisgeldern dotierten Event teilnehmen wollten. Diese einseitige Machtausübung des als Monopolist agierenden Verbandes Verstoße gegen EU-Recht. Ein Fall, der nahezu Eins-zu-Eins dem jetzt von der FINA gezeigten Vorgehen entsprach. Inwieweit es ähnliche Konsequenten geben könnte, werden die kommenden Monate zeigen. Eines steht jedoch fest: Das letzte Wort in diesem Machtkampf ist noch nicht gesprochen.