(23.02.2014) Zielgerichtete Nachwuchsförderung, verstärkte Leistungsdiagnostik und vor allem gesteigerte Trainingsumfänge - Mit diesen Kernpunkten will Chef-Bundestrainer Henning Lambertz die DSV-Athleten international wieder kokurrenzfähig machen. Das Konzept trägt den Titel "Perspektiv-Team-Projekt". Dabei setzt Lambertz auf die Jugend und eine langfristige Planung, dank derer die deutschen Schwimmer bei den Olympischen Spielen 2020 wieder voll angreifen sollen.
Die deutschen Schwimmer wieder an die Weltspitze führen - Mit diesem ehrgeizigen Ziel hat Chef-Bundestrainer Henning Lambertz vor gut einem Jahr sein Amt angetreten. Bereits damals war klar, dass dies nicht kurzfristig zu erreichen sein wird. Nun präsentiert Lambertz unter dem Titel "Das Perspektiv-Team-Projekt" sein Konzept, welches auf den Nachwuchs, mehr Training und eine genauere Trainingssteuerung setzt.
"Das Ziel des PTP (Perspektiv-Team-Projekt) ist die langfristige Rückkehr der deutschen Nationalmannschaft Schwimmen unter die 5 bis 8 führenden Schwimmnationen der Welt und das Wiedererlangen der Position 1 in Europa", heißt es in Lambertz' 23 Seiten starken Konzept, welches in dieser Woche veröffentlicht wurde.
Im Rahmen des Perspektiv-Teams sollen bis zu 20 Nachwuchsschwimmern umfrangreiche Fördermaßnahmen des Verbandes zu Gute kommen. Mit zentralen Trainingslagern, gemeinsamen Wettkämpfen und umfangreicher Trainingsdiagnostik sollen die jungen Athleten auf die Anforderungen der Weltklasse vorbereitet werden. Geplant sind für die aktuelle Saison 2013/2014 demnach zwischen neun und elf gemeinsame Lehrgangswochen des Perpektivteams.
Dies ist jedoch erst der Anfang. Bis zur Olympia-Saison 2015/2016 soll der Umfang der zentralen Lehrgangsmaßnahmen auf 13 bis 16 Wochen pro Jahr gesteigert werden. Mit Ausblick auf die Olympischen Spiele 2020 sind dann sogar 18 Lehrgangswochen für die Mitglieder des Perspektivteams angedacht. Auf diesem Niveau soll der Umfang der zentralen Lehrgangsmaßnahmen dann auch in der weiteren Zukunft fortgeführt werden.
Begleitet werden sollen die Lehrgänge von einer genauen und strukturierten Trainingsdiagnostik. Mit ständiger Überprüfung der Belastbarkeit der Athleten an Land und im Wasser soll stets der aktuelle Leistungsstand und -fortschritt der einzelnen Sportler bewertet werden können.
Der Hintergrund dieser umfangreichen Lehrgangsmaßnahmen sind unter anderem die aus Lambertz' Sicht derzeit mangelnde Belastungsfähigkeit und zu geringen Trainingsumfänge der deutschen Athleten. "In Deutschland haben wir verlernt zu trainieren", erklärt Lambertz in seinem Konzept. "Um diese Einstellung zu verändern, müssen wir mit den ganz jungen Sportlern wieder vormachen, wie es wirklich geht."
Dazu rechnet Lambertz auch detailliert vor, welche jährlichen Trainingsumfänge die Nachwuchsathleten bis zu einem Alter von 15 Jahren zu schwimmen haben. Für die Zehnjährigen werden demnach bereits jährliche Umfänge von 1500km angesetzt. Den 15-Jährigen soll dann doppelt so viel abverlangt werden.
Auch dies macht deutlich, dass Lambertz' Plan auf langfristiges Denken und Zukunft baut. "Die sich aktuell im Perspektivteam befindenden jugendlichen Schwimmerinnen und Schwimmer sind für die aufgezeigten Kennziffern bereits zu alt." Sie sollen über die zentralen Trainingsmaßnahmen des Verbandes belastungsverträglicher gemacht werden. Diese Athleten wurden von Lambertz in das aktuelle Perspektivteam berufen:
Leonie Beck, Kathrin Demler, Christian Diener, Vanessa Grimberg, Jakob Heidtmann, Philip Heintz, Selina Hocke, Lisa Höpink, Marlene Hüther, Sarah Köhler, Yannick Lindenberg, Rob Muffels, Sonnele Öztürk, Christian vom Lehn, Kevin Wedel, Damian Wierling und Finnia Wunram
Bis zu den Olympischen Spielen 2016 soll das Perspektivteam dabei schrittweise verjüngt werden. Aktuell sind die Mitglieder zwischen 15 und 23 Jahre alt. Ziel ist es, bei den Herren Athleten im Alter zwischen 15 und 20 Jahren zu betreuen. Die Mädels im Team sollen 14 bis 18 Jahre alt sein. Dank der engen Betreuung in jungen Jahren sollen die Athleten später im "besten Schwimmeralter" bereits bestmöglich geformt sein.
Auch die Bewertungsmaßstäbe für den Erfolg des Projektes tragen Lambertz' Handschrift. Unter den angestrebten Zielen ist dabei keine der ihm unlieben Medaillenvorgabe oder ähnliche Kenngrößen. Stattdessen heißt es so zum Beispiel, das Perspektiv-Team-Projekt sei dann erfolgreich, wenn "die Nationalmannschaft die angestrebte Belastungsverträglichkeit bei mehreren Topevents im Jahr zeigt" und "die 'Drop - out' Quote nach der JEM gesenkt wurde."
Es ist ein langer Weg, den Lambertz aufzeigt und Resultate sind nicht unmittelbar zu erwarten. Nach dem jahrelangen Abwärtstrend des deutschen Schwimmsports kann die Rückkehr zur Weltspitze nicht im Sprint, sondern nur mit Ausdauer erreicht werden. Es bleibt abzuwarten, ob das derzeit in Lambertz gesetzte Vertrauen von allen Seiten auch dann aufrechterhalten wird, wenn die kurzfristigen Erfolge zunächst doch wieder ausbleiben. Unabhängig vom Ausgang des Projekts gibt es jedoch zumindest etwas, was zuletzt schmerzlich vermisst wurde: Ein übegreifendes und langfristig angelegtes Konzept für den deutschen Schwimmsport.
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Bild: Alibek Käsler - www.sports-foto.de