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Bild: Alibek Käsler
04. August 2017

(04.08.2017) Es war einer der großen emotionalen Momente der Schwimm-Weltmeisterschaften 2017. In einem packenden Rennen schnappte sich Chad le Clos über die 200m Schmetterling gegen den Hausherren und seinen Freund Laszlo Cseh die Goldmedaille. Bei der Siegerehrung brachen dann alle Dämme und le Clos konnte die Freudentränen nicht mehr aufhalten.

"Es war eine unglaubliche Atmosphäre, das habe ich wirklich gebraucht. Nach dieser Woche in Budapest kann ich die Dämonen des vergangenen Jahres endlich hinter mir lassen", meint der Champion wenige Tage nach seinem Triumph, als wir am Rande eines Events seines Sponsors OMEGA mit ihm am Mittagstisch sitzen.

Und wirklich: Le Clos plaudert munter, ist locker und gelöst. Im vergangenen Jahr hingegen war nach den Olympischen Spielen bei Interviews noch so manch gequältes Lächeln in seinem Gesicht zu sehen. In Rio belegte der Südafrikaner zwar jeweils Rang zwei über die 100m Schmetterling und die Nebenstrecke 200m Freistil. Über seine Paradedisziplin 200m Schmetterling musste sich der als Titelverteidiger nach Brasilien gereiste Spitzenathlet jedoch mit dem undankbaren vierten Platz zufrieden geben.

Als le Clos aus Rio mit seinen beiden Medaillen nach Hause kam, habe man ihn am Flughafen gefeiert, erinnert sich der Starschwimmer. "Das war nicht einfach, denn ich habe mich selbst überhaupt nicht als Gewinner gesehen. In mir drin war einfach nur so eine Leere." Die Niederlage bei Olympia saß tief. "Ich war so enttäuscht und einfach nicht mehr im Reinen mit mir selbst. Ich war für eine sehr lange Zeit regelrecht unglücklich", so le Clos, der nach den Spielen neue Reize und Inspirationen suchte.

Fündig wurde er bei dem Italiener Andrea di Nino. Seit einem guten halben Jahr arbeiten die beiden zusammen. Di Nino ist eigentlich ein Spezialist für die Sprinter, coachte unter anderem Athleten wie den Ukrainer Andrii Govorov, Russlands Olympia-Zweiten Evgeny Korotyshkin oder auch den langjährigen Michael-Phelps-Konkurrenten Milorad Cavic. Trotzdem war er für le Clos sofort die erste Wahl, nachdem er den Entschluss gefasst hatte, seinen bisherigen Trainer Graham Hill zu verlassen.

"Ich habe so viele neue Sachen über das Schwimmen gelernt", meint le Clos begeistert über seinen neuen Coach. "Zum ersten Mal trainiere ich wirklich Starts, Wenden und so weiter. Bisher habe ich das mehr aus dem Gefühl heraus gemacht."

Auch an seiner Schmetterlingtechnik haben die beiden intensiv gearbeitet. Als sich le Clos vor rund fünf Jahren mit seinem Olympiasieg gegen Michael Phelps in den Kreis der internationalen Stars katapultierte, wunderte sich so mancher, wie dieser Youngster mit seiner ungewöhnlichen Art und Weise zu schwimmen eigentlich so schnell sein kann. 

Während die Konkurrenz elegant und kraftvoll durchs Wasser pflügte, sah es bei le Clos meist aus, als würde er sich regelrecht vorwärts schaufeln. In Budapest nun konnte man bereits erste Veränderungen seiner Technik beobachten. "Ich schwimme viel flacher und effizienter. Darum geht es: Effizienter zu sein. Wenn du mit deiner Energie gut umgehst, dann hast du hinten raus noch Kraft, die du nutzen kannst."

Eine weitere Veränderung fiel auf: Während seiner 200m-Rennen ging der Blick von le Clos nahezu die gesamte Zeit über gerade aus. In der Vergangenheit erlangte le Clos auch Berühmtheit dafür, dass er immer wieder den Kopf in Richtung seiner Gegner drehte. In Budapest war er deutlich disziplinierter. Erst auf den letzten Metern blickte er hinüber zum heranschwimmenden Laszlo Cseh auf die Nachbarbahn.

"Ich hatte mit meinem Coach vor dem Rennen ausgemacht: Ich darf einmal auf der dritten Bahn und zweimal auf der letzten Bahn den Kopf drehen. Da habe ich es dann halt dreimal auf der letzten Bahn gemacht", scherzt le Clos, der aber auch meint, er habe seinen Erfolg von Budapest nicht nur der sportlichen Weiterentwicklung sondern auch dem Reifen seiner Persönlichkeit zu verdanken. "Mir ist jetzt klar, dass es nicht um den Ruhm, das Geld oder die Medaillen geht, sondern darum, abends ins Bett zu gehen und zufrieden mit der eigenen Leistung zu sein. Zum ersten Mal in über einem Jahr kann ich jetzt nachts endlich wieder ruhig schlafen."

Dass er mit der Arbeit an seiner Technik und der eigenen Entwicklung noch lange nicht fertig ist, zeigte sich bei den Weltmeisterschaften in Budapest über die 100m Schmetterling. Als amtierender Weltmeister schied er hier nur zwei Tage nach seinem 200m-Triumph als Zwölfter im Halbfinale aus. Nur 17 Hundertstel fehlten zum Weiterkommen.

"Das war enttäuschend, aber mein eigener Fehler. Dafür kann ich niemanden anderen verantwortlich machen als mich selbst. Ich habe zu viel Spielchen gespielt, zu viel herumgeschaut", meint le Clos zurückblickend und weist darauf hin, dass er jemand sei, der aus Fehlern lernt.

"Ich glaube, ich bin noch nicht mal in der Nähe meines Höhepunkts, sportlich und persönlich", erklärt der 25-Jährige selbstbewusst. Vom Schwimmen habe er trotz der oft emotionalen Achterbahnen noch langen nicht genug. Selbst die Olympischen Spielen 2020 in Tokio seien zwar für ihn das nächste große Ziel - aber bei weitem nicht sein letztes, kündigt le Clos an. "Ihr werdet sehen: Ich bin noch lange nicht fertig."