(15.06.2017) Zum Auftakt der Deutschen Meisterschaften in Berlin hat Chef-Bundestrainer Henning Lambertz die Kritik an seinem dreisäuligen "Reformpaket" zurückgewiesen. Sowohl wegen der harten WM-Normzeiten als auch dem Kraftkonzept und der angestrebten stärkeren Konzentration der deutschen Spitzenschwimmer an Bundesstützpunkten musste er in den zurückliegenden Wochen über die Medien hinweg einiges an Gegenwind aushalten.
Unter anderem hatten sich Paul Biedermann und sein ehemaliger Coach Frank Embacher kritisch geäußert. Der einstige Erfolgstrainer meinte unter anderem, die Pläne Lambertz' würden die Trainer zu Uhrenhaltern degradieren und sein Kraftkonzept gehe an der Praxis vorbei. Dem entgegnete der Bundestrainer: " Ich würde Kollegen, die zitiert werden, bitten mal das Kraftkonzept und die Nachwuchskonzepte zu lesen und vielleicht auch mal den Rahmentrainingsplan. Denn wenn man urteilt, sollte man wissen, worüber man urteilt." In seinem Trainingskonzept stünde nicht unbeding ein "mehr" an Krafttraining sondern ein Wechsel hin zu anderen Methoden im Fokus.
Auch das Vorgehen im Fall Vanessa Grimberg sorgte für Unruhe unter den Athleten. Die mehrfache Deutsche Meisterin verliert demnächst ihre Stelle in der Sportfördergruppe der Bundeswehr, da sie es ablehnt aus Stuttgart an den Stützpunkt in Heidelberg zu wechseln. Lambertz verteidigte die Maßnahme damit, dass die Weltspitze über Grimbergs Hauptstrecke 200m Brust dermaßen weit entfernt sei, dass hier nur neue Ansätze weiterbringen könnten. Diese Strecke sei jedoch ein "Extremfall".
Gestandene Sportler wie Marco Koch oder Franziska Hentke oder auch andere Athleten, die bereits an gut funktionierenden Standorten mit guten Rahmenbedingungen seien, wie zum Beispiel Florian Wellbrock oder auch Franziska Hentke in Magdeburg, müssten keine Angst haben, zukünftig ihre Förderung zu verlieren, weil sie nicht an einen Bundesstützpunkt wechseln wollen.
Auch die DSV-Präsidentin Gabi Dörries unterstützte Lambertz in dessen Argumentation. Die beiden hatten erst am Mittwoch wichtige Gespräche mit dem Deutschen Olympischen Sportbund geführt und dabei noch einmal klar gesagt bekommen: Bestimmte Mittel wird es eben nur für Perspektivsportler geben. "Und Perspektivkader, das ist klar definiert. Das bedeutet klare Finallaufchance (bei Olympia) 2020 oder 2024", erklärte Dörries und fügte hinzu, dass nur für diese Sportler finanzielle Mittel investiert werden dürften.
Damit die Sportler, die hin zu den Olympischen Spielen 2020 noch einen wichtigen Entwicklungssprung machen könnten, weiter an Erfahrung sammeln, gebe es in diesem Jahr auch erstmals die U23-Normen so Lambertz. "Die gelten auch für relativ erfahrene Schwimmer, da würde auch eine Alexandra Wenk drunterfallen, die schon bei zwei Olympischen Spielen war", meint der Chefcoach und will damit verdeutlichen dass es bei den U23-Athleten nicht nur um den Nachwuchsgedanken geht, sondern auch darum, die Sportler, von denen man sich in Tokio etwas erhofft, zusätzlich zu motivieren.
Dass es auf der anderen Seite für die Sportler der offenen Klasse Normzeiten gibt, die im internationalen Vergleich weltweit die härtesten Qualifikationshürden sind, begründet Lambertz mit dem Blick auf die Weltspitze. In Großbritannien zum Beispiel gab es für die Olympischen Spiele 2016 ebenfalls beinharte Normzeiten. "Bei den Briten standen alle, die die Normen erfüllt haben, hinterher in Rio im Finale. Deshalb ist das keine Spinnerei, sondern internationaler Standard, den wir erreichen müssen, wenn wir vorne mitmachen wollen", so die Ansage von Lambertz.
Seinen Kritikern und den verunsicherten Sportlern sowie Trainern bietet Lambertz das Gespräch an. Jeder könne auf ihn zukommen und mitteilen, wo der Schuh drückt, meint der Bundestrainer. Für die vom DOSB initiierten Strukturreformen bittet er um Geduld. "Das dauert jetzt halt seine Zeit, aber irgendwann muss man eben anfangen. Und wenn nicht nach einem Olympiazyklus, wann dann."