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Bild: Mirko Seifert
19. September 2016

(19.09.2016) Das war's! Mit den Paralympischen Spielen ist der brasilianische (Sport)sommer in Rio de Janeiro zu Ende gegangen und es waren beeindruckende, emotionale und begeisternde Wettbewerbe, die denen der olympischen Athleten nicht nur in nichts nachstanden, sondern diese oft sogar übertrumpften.

Es gab ja die schlimmsten Befürchtungen vor dem Beginn dieser Paralympischen Spiele. Da wurde die große "Blamage" für Rio angekündigt, mit leeren Stadien und Organisationschaos gerechnet. Und dann ging es los und nichts davon bestätigte sich. Stattdessen gab es ausverkaufte Finalabschnitte, ein begeistertes Publikum und emotionale Sportmomente.

Klar, die Spiele in London hatten groß vorgelegt und da werden sich zukünftige Paralympics wohl noch eine Weile dran messen müssen. Doch die Wettbewerbe von Rio eroberten sich ihren eigenen Platz in den Herzen und Köpfen aller Beteiligten und der Fans, dank der oft historischen Vorstellungen von denen, die im Sportzirkus die wichtigste Rolle spielen (sollten): den Athleten. Radfahrer, Springer, Läufer, Team-Sportler. Rehm, Low, Zanardi und und und ... So viele Namen, so viele Geschichten.

Auch die Schwimmer hatten ihren Anteil. Der Brasilianer Daniel Dias sorgte mit seinen vier Siegen und insgesamt neun Medaillen für Stimmung beim Heimpublikum und eroberte seinen Platz in der Sportgeschichte. Insgesamt 24 Paralympics-Medaillen und damit mehr als jeder andere männliche Athlet, hat er nun auf dem Konto.

Beim deutschen Team zeigte Maike Naomi Schnittger Kampfgeist. Über die 400m Freistil hatte sie sich noch um Hundertstel mit Platz vier zufrieden geben müssen, war auf den letzten Metern im Schwimmerdeutsch gesprochen "gestorben". Doch sie gab sich nicht auf und am letzten Tag klappte es dann doch mit der Medaille: Diesmal schnappte sie sich auf der Sprintstrecke Silber.

Zugegeben, die Jubelmomente des deutschen Teams im Aquatics Center waren rar. Neben Maike Schnittger schafften lediglich Denise Grahl und Torben Schmidtke den Sprung aufs Podest. Der paralympische Schwimmsport in Deutschland kämpft gegen ähnliche Windmühlen wie die olympischen Kollegen: Die in den Profi-Sport enteilende weltweite Konkurrenz, mangelnde Wertschätzung im Monosportland Deutschland und die unter anderem auch daraus resultierende fehlende "Breite in der Spitze".

Nur 13 deutsche Schwimmer waren bei den Paralympics in Rio am Start. Zum Vergleich: Die Ukraine und China, die im Medaillenspiegel der Schwimm-Wettbewerbe Platz eins und zwei belegte, hatten jeweils mehr als 50 Schwimmer mit dabei. Masse ist nicht gleich Klasse, aber bei insgesamt 152 Schwimm-Entscheidungen in den unterschiedlichen Startklassen hilft es durchaus, viele davon besetzen zu können.

Vielleicht profitierten die Paralympics vor allem in diesem Jahr auch vom Vertrauensverlust in den Olympischen Sport. Dort wo sich die IOC-Bosse einen faulen Kompromiss zur Sanktion des russischen Dopingsystems aufdrücken ließen, zeigten ihre paralympischen Kollegen klare Kante: Kein Athlet aus Russland war in den vergangenen beiden Wochen in Rio am Start. Dass IOC-Oberhaupt Thomas Bach die Paralympics so eindrucksvoll links liegen ließ, war ein weiterer Bärendienst für das angeknackste Olympia-Ansehen.

Klar, auch bei den Paralympics ist nicht alles so golden, wie es manchmal glänzt. Das Finden des Kompromisses zwischen attraktiven Teilnehmerfeldern in den einzelnen Startklassen und der Vergleichbarkeit der verschiedenen Handicaps der Athleten ist eine stete Herausforderung. Das daraus resultierende "Klassifizierungs-Doping" dürfte wohl eines der zukünftig größten Probleme für den paralympischen Sport werden.

Die Stehauf-Geschichten, die ja eines der Markenzeichen der Paralympics sind, werden aber auch weiterhin automatisch für sichere Sympathiepunkte sorgen. Widerstände überwinden, das Beste aus sich herausholen, genau erkennen, wo die eigenen Stärken liegen. Diese Qualitäten wirken über die Grenzen des Sport heraus - und daran sollten sich so manche (olympische) Bosse mal wieder erinnern.