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15. August 2016

(15.08.2016) Wieder keine Olympiamedaille und mit Blick auf Finalteilnahmen und Endplatzierungen schnitten die deutschen Schwimmer bei den Olympischen Spielen in Rio sogar noch schlechter ab als vor vier Jahren in London. Auch bei anderen Nationen lief es nicht rund, sie konnten aber meist zumindest noch irgendwie einen Schwimmer aufs Podium bekommen. Nach dem letzten Finalabschnitt der Beckenwettbewerbe gab Chef-Bundestrainer Henning Lambertz eine Einschätzung, warum dies dem deutschen Team nicht gelang.

Mit Blick auf die verpassten Medaillenchancen in Rio meinte Lambertz: "Unser Grundniveau ist zu gering." Wenn ein Marco Koch oder Franziska Hentke nicht punkten, dann sei dahinter nichts. "Da fehlt uns die zweite Reihe", so der Chefcoach. Lambertz sieht den Grund darin wiederum in der zu geringen Förderung und der schwachen Perspektive für Leistungsschwimmer in Deutschland.

Die Nachwuchsschwimmer seinen mit Schule, Training, Hausaufgaben usw. bereits voll ausgelastet. "Und wenn ich das schon auf mich nehme, dann muss ich zumindest eine Idee haben, warum ich das ganze überhaupt mache." Dies müsse nicht immer Geld, sondern könne auch eine Anerkennung der Leistung in irgendeiner Form sein.

"Mit dem derzeitigen System sind wir nicht in der Lage zu Nationen wie den USA, Australien oder Großbritannien aufzuschließen", erklärt der 45-Jährige, der nicht damit rechnet, dass es zukünftig für den Sport mehr Geld geben wird. Daher müsse man auch selbst die Mittel geschickter einsetzen - bzw. "für weniger Leute."

Ein Ansatz, den Lambertz nennt - obwohl er sich mit Blick auf die Nachteile für den Nachwuchs in einzelnen Regionen selbst damit schwer tut - ist die Reduzierung der Stützpunkte und damit Konzentration der Athleten und Mittel. "Wir sind seit acht Jahren nicht mehr in der Lage vorn mitzumachen und wir müssen jetzt echt was ändern", meint Lambertz.

Auch die Anzahl der deutschen Sportler bei Top-Events soll schrumpfen, wenn es nach ihm geht: "Die Normen werden hoch gehen, die Normen werden schwer sein. Und vielleicht gibt es dann zusätzliche Plätze für Perspektivschwimmer oder man macht noch einmal gesonderte Junioren-Normen." Man könne nicht 27 Leute mit vier Trainern betreuen.

Selbst bei den erfolgreiche US-Kollegen hakte der gelernte Sportwissenschaftler nach. Erfolgscoach Dave Marsh habe er gefragt. Dessen Einschätzung: Deutschland trete als Team homogen uns stark auf, aber man macht einen großen Fehler: "Ihr setzt eine WM, eine EM und Olympische Spiele auf eine Linie", zitiert Lambertz seinen Kollegen. Danach müsse man sich jedes mal Jahr für Jahr rechtfertigen - auch gegenüber DOSB und Innenministerium, die über Fördermittel entscheiden - "wenn, dann muss man's für vier Jahre mal richtig machen." Ein Problem, dass nicht nur die Schwimmer haben.

Insgesamt stehe der Leistungssport vor einem Scheideweg, so Lambertz. "Wollen wir diesen Leistungssport, dann müssen wir investieren. Das heißt auch zusammenkommen und überlegen, was können wir besser machen." Wenn man das aber als Gesellschaft nicht will, dann müsse man es einfach einmal klar sagen anstatt die Schere zwischen Erwartungen und Mitteleinsatz immer weiter auseinanderzureißen.

Lambertz selbst will weiter als Chef-Bundestrainer versuchen, seine Konzepte umzusetzen und auch der DSV hat wohl seine Bereitwilligkeit signalisiert, den auslaufenden Vertrag um weitere vier Jahre zu verlängern. Mit einer Entscheidung, wie es für ihn weitergeht, ist aber in den kommenden Wochen nicht zu rechnen: Im November steht der große Verbandstag an, bei dem sich an der Spitze des DSV einiges ändern könnte.