(12.08.2012) Die Olympischen Spiele liegen hinter uns und wir schauen zurück auf die Schwimmwettbewerbe in London. Rennen voller Nervenkitzel, Weltrekorde, hausragende Athleten aber auch herbe Enttäuschungen hatten die Wettkämpfe der zurückliegenden Tage zu bieten. Im ersten Teil unseres Olympia-Rückblicks dreht sich alles um die Ergebnisse der DSV-Athleten, die bei den deutschen Fans eher für Kopfschütteln als für Jubel sorgen konnten.
Untergang, Absaufen, Debakel - dies waren nur einige Schlagworte, die die Reaktion auf das Abschneiden der deutschen Schwimmer bei den Olympischen Spielen in London prägten und tatsächlich lässt sich kaum ein anderes Resumee ziehen. Nach der Nullnummer der Beckenschwimmer konnte auch die Silbermedaille von Thomas Lurz im Freiwasser die DSV-Bilanz nicht allzu glänzend aufpolieren. Für Enttäuschungen sorgten jene Athleten, für die in London ein Podestplatz durchaus drin gewesen wäre, allen voran das deutsche Schwimm-Traumpaar Steffen/Biedermann. Schon am ersten Tag der Wettkämpfe in London gingen die Medaillenchancen baden.
Biedermann verpatzt drei Medaillenchancen
Schlechter hätte Weltrekordhalter Paul Biedermann kaum in die Olympischen Spiele starten können. Über die 400m Freistil war für den Hallenser zum Auftakt der Schwimmwettbewerbe bereits im Vorlauf Schluss. Mehr als vier Sekunden war er über der Zeit geblieben, mit der er im Vorjahr bei den Weltmeiserschaften in Shanghai noch Bronze geholt hatte. In den folgenden Tagen zeigte die Formkurve des 26-Jährigen zwar nach oben. Doch um über seine Paradestrecke 200m Freistil den Traum von der Olympiamedaille wahr zu machen, reichte es am Ende nicht. Im Finale schwamm er wie bereits vor vier Jahren in Peking auf den fünften Platz. Biedermann hatte es einfach nicht geschafft, seine vielversprechenden Leistungen, die er bei der WM 2011 gezeigt hatte, zu wiederholen. Bei den Olympischen Spielen hätten seine damals erzielten Zeiten sowohl über die 200 als auch die 400m Freistil zur Medaille gereicht. Auch in der Staffel blieb Biedermann unter seinen Möglichkeiten. Das Team über die 4x200m Freistil hatte die Podestplätze lediglich um 2,9 Zehntel verpasst. Biedermann war als Startschwimmer mehr als eine halbe Sekunde über seiner im Einzelfinale geschwommenen Zeit geblieben. Allein für den Hallenser blieben somit drei potentielle Medaillenchancen ungenutzt.
Auch Steffen kann Leistungen nicht abrufen
Kaum besser lief es für Biedermanns Lebensgefährtin Britta Steffen. Auch sie begann mit einer enttäuschenden Leistung am ersten Wettkampftag. Die von ihr angeführte 4x100m Freistilstaffel war bereits im Vorlauf ausgeschieden. Steffen blieb dabei deutliche acht Zehntel über ihrer Saisonbestzeit. Als Grund für die magere Leistung wurde zunächst genannt, dass die DSV-Trainer vor Ort das Team mit der Vorgabe Kräfte zu schonen ins Rennen geschickt hätten. Doch Steffens Auftritt über die Einzeldistanz machte deutlich, dass der Patzer mit der Staffel kein Ausrutscher war. Bereits im Halbfinale war Schluss für die Titelverteidigerin, die ihr Ausscheiden mit für vielen nur wenig verständliche Aussagen kommentierte. Ihre Zeit neige sich wohl dem Ende zu und sie freue sich für ihre Konkurrentinnen, so Steffens Fazit nach dem Aus über die 100m Freistil. Dass sie mehr drauf hat, als sie selbst gegenüber den Medien erklärte, stellte die Berlinerin zum Abschluss der Wettkämpfe unter Beweis. Über die 50m Freistil verpasste sie die Medaillen nur um hauchdünne sieben Hundertstelsekunden. In einem Sprintfinale, bei dem alles stimmen muss, um am Ende ganz oben zu stehen, darf man hier durchaus von Pech sprechen. Auch mit ihrer Leistung als Schlussschwimmerin der 4x100m Lagenstaffel wäre sie im Einzelfinale um die Medaillen mitgeschwommen.
Steffen Deibler sorgt für Glanzlicht am düsteren DSV-Himmel
Sowohl in Biedermann als auch Steffen steckt also mehr, als sie in London unter Beweis stellen konnten. Doch genau bei Olympia gilt es eben topfit zu sein. Nur wenigen gelang es genau auf den Punkt ihre besten Leistungen zu bringen. Zu den wenigen Glanzlichtern der DSV-Athleten in London zählten ohne Zweifel die Auftritte von Steffen Deibler. Der 25-Jährige schwamm sich mit starken Leistungen ins Finale über die 100m Schmetterling. Als Vierter schrammte er nur knapp an den Medaillen vorbei. Auch zum Abschluss der Wettbewerbe in London konnte Deibler überzeugen. Im Endlauf über die 4x100m Lagen sorgte er mit seiner Zwischenzeit auf der Schmetterlingsstrecke für die zweitbeste Leistung des gesamten Feldes. Nur Superschwimmer Michael Phelps war hauchdünne acht Hundertstel schneller als er. Auch Routinier Helge Meeuw muss sich beim Blick auf seinen Olympiaauftritt nichts vorwerfen. Der einstige Vize-Weltmeister schwamm im Finale über die 100m Rücken mit Saisonbestleistung auf einen soliden sechsten Platz. Einen weiteren Platz in den Endläufen gab es für Markus Deibler, der über die 200m Lagen Achter wurde.
Einziges Edelmetall durch Thomas Lurz - DSV auf Platz 18 im Medaillenspiegel
In der Endabrechnung hatten die deutschen Schwimmer damit fünf Athleten in den Endläufen. Das sind zwar drei mehr als vor vier Jahren in Peking, als nur Biedermann und Steffen unter die besten Acht kamen. Doch dadurch die Gesamtbilanz der deutschen Schwimmer in London schönen zu wollen, wirkt angesichts der einsamen einzelnen Medaille, die das Team holen konnte, unangebracht. Nur Thomas Lurz, der mit einem starken Rennen über die 10km im Freiwasser Silber holen konnte, ist es zu verdanken, dass Deutschland überhaupt im Medaillenspiegel der olympischen Schwimmwettbewerbe in London auftaucht - auf dem 18. Platz. Letztlich konnten die DSV-Schwimmer nicht mit der internationalen Konkurrenz mithalten, die eben genau dann ihre Leistungen brachte, als es drauf ankam. Auch Athleten wie der von Ex-Bundestrainer Dirk Lange trainierte Marco Koch hätten einen Einzug ins Olympiafinale locker drauf haben müssen. Enttäuschend ist auch der Fakt, dass keine einzige der deutschen Frauenstaffeln den Sprung ins Finale schaffte. Während die Quartette bei den Herren durchaus auf Augenhöhe mit ihren Gegnern waren, schwammen die Damen hinterher.
Konsequenzen auf der Olympiapleite könnten auf sich warten lassen
Nur bei sechs der insgesamt 27 Einzelstarts konnten die deutschen Athleten ihre Saisonbestleistungen steigern. Dies ist im Grunde nichts Neues. Bereits in den vergangenen Jahren hatten die DSV-Schwimmer nach starken Leitungen im Vorfeld des jeweiligen Saisonhöhepunktes diese später, als es darauf ankam, nicht bestätigen können. Damit dies bei den Olympischen Spielen anders läuft, hatte man noch schnell an einigen Stellschrauben gedreht. Die Qualifikationskriterien wurden gelockert, die Qualifikationswettkämpfe im Jahreskalender anders eingetaktet. Im Herbst des vergangenen Jahres hatte man sich von Bundestrainer Lange getrennt. Erfolge zogen all diese Maßnahmen nicht nach sich. Etwas ratlos scheint man nun beim DSV in die Zukunft zu blicken. Viele Möglichkeiten für Veränderungen bleiben nicht mehr, zumal die Köpfe an der Spitze des deutschen Schwimmsports auch weiterhin dort zu finden sein dürften. DSV-Präsidentin Christa Thiel bewirbt sich im Herbst für eine neue Amtszeit. Sie stärkte DSV-Sportdirektor Lutz Buschkow den Rücken und wird ihm auch weiterhin die Stange halten. Auch für die vakante Stelle des Bundestrainers scheint es nur wenige geeignete und interessierte Kandidaten zu geben. Für den zuletzt hoch gehandelten Essner Trainer Henning Lambertz gaben dessen Athleten in London ebenfalls keine herausragende Visitenkarte ab. Angesichts dieser Ausgangslage scheint es verständlich, dass im Umfeld des DSV immer lauter werdende Stimmen nach personellen und strukturellen Veränderungen rufen. Die kommenden Monate werden zeigen, wie der deutsche Schwimmsport auf die Pleite von London reagiert oder ob man ohne Konsequenzen die Spiele 2016 und 2020 in Angriff nimmt.