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26. Juli 2012

(26.07.2012) Es ist stets ein besondere Moment, wenn Schwimmer von Einzelkämpfern zu Teamsportlern werden. Auch bei den Olympischen Spielen in London dürften die Staffelwettbewerbe zu den Highlights der Schwimmwettkämpfe zählen. Im heutigen Teil unseres Olympia-Ausblicks dreht sich alles um die Chancen der DSV-Quartette und die internationalen Favoriten.


Neben Paul Biedermann und Britta Steffen ruhen die Medaillenhoffungen der deutschen Schwimmer bei den Olympischen Spielen in London vor allem auf den Staffeln. In einem auf allen Distanzen extrem dichten internationalen Feld haben zwei bis drei der DSV-Quartette realistische Chancen auf eine der vorderen Platzierungen und vielleicht sogar einen Podestplatz. Bei den Herren können die Teams über die 4x200m Freistil und die 4x100m Lagen auf eine Überraschung hoffen. Die Damen dürften nur mit der 4x100m Freistilstaffel eine Außenseiterchance auf olympisches Edelmetall in London haben. Wir haben die Leistungen der deutschen Athleten und ihrer Konkurrenten unter die Lupe genommen und aufgelistet, welche Nationen für Medaillen über die Staffeldistanzen in Frage kommen könnten. Dazu wurden die bisherigen Saisonbestleistungen der potentiellen Staffelstarter summiert. Die Zeiten dienen nur der Veranschaulichung, so wurden Wechsel- und Reaktionszeiten nicht mit berücksichtigt.

4x200m Freistil Herren: Führt Biedermann die Königsstaffel auf das Podium?

Hoffnungen machen sich vor allem die deutschen Herren über die 4x200m Freistil. Im Kampf um Gold wird wie bei den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr kaum ein Weg an den Teams aus den USA und Frankreich vorbeiführen. Die Amerikaner bringen in der Königsstaffel die beiden Superstars Phelps und Lochte an den Start. Frankreich baut auf Yannick Agnel und die breite Qualität der Athleten dahinter. Bei der WM 2011 blieb dem deutschen Team nur der bittere vierte Platz hinter China. In London haben die Herren um Weltrekordhalter Paul Biedermann gute Chancen, erneut am Podium zu schnuppern und den Spieß umzudrehen. Es wird darauf ankommen, dass Biedermann seine Landsleute mit einer Spitzenleistung gut ins Rennen bringt. Clemens Rapp, Dimitri Colupaev und Tim Wallburger konnten in diesem Jahr bereits solide Leistungen abliefern. Es spricht vieles dafür, dass diese Athleten für Deutschland an den Start gehen werden. Die Konkurrenten um die Medaillen kommen nicht nur aus China sondern vor allem auch aus Australien. Während die Aussies auf eine geschlossene Mannschaftsleistung bauen, wird es bei den Chinesen auf die Form von Superstar Sun Yang ankommen. Nicht vergessen sollte man zudem die Staffel aus Russland. Die Athleten aus dem Riesenreich konnten in diesem Jahr zwar nur für wenig Glanz sorgen und verpassten 2011 sogar das WM-Finale, doch die Olympischen Spiele dürften auch hier neue Kräfte freisetzen.

Hier die Statistik der Saisonbestleistungen für die 4x200m Freistilstaffel (Herren):
USA - 7:04,64 (Phelps 1:45,69 / Lochte 1:45,75 / Berens 1:46,56 / Dwyer 1:46,64)
Frankreich - 7:04,81 (Agnel 1:44,42 / Leveaux 1:46,72 / Mallet 1:46,77 / Lefert 1:46,90)
Australien - 7:09,10 (Fraser-Holmes 1:46,88 / Monk 1:47,16 / Napoleon 1:47,51 / McKeon 1:47,55)
Deutschland - 7:09,17 (Biedermann 1:46,27 / Rapp 1:47,57 / Colupaev 1:47,58 / Wallburger 1:47,75)
China - 7:10,39 (Sun Yang 1:46,05 / Hao Yun 1:47,48 / Li Yunqi 1:48,17 / Jiang Haiqi 1:48,69)
Überraschungskadidaten: Russland und Japan

4x100m Lagen Herren: DSV-Männer könnten für Überraschung sorgen

Auch über die 4x100m Lagen sollte man die deutschen Herren auf dem Zettel haben. Während der Titel hier bereits vergeben zu sein scheint, verspricht der Kampf um die Medaillen umso mehr Spannung. Das von Michael Phelps angeführte US-Team scheint in einer eigenen Liga zu schwimmen. Es ist das einzige Quartett, das auf allen Positionen mit Schwimmern besetzt ist, die auch im Einzel um die Medaillen mitschwimmen werden. Bestenfalls das australische Team dürfte hier mithalten können. Dahinter wird es unglaublich eng. Etliche Nationen sind auf einzelnen Teilstrecken hochkarätig besetzt, haben jedoch Lücken auf den restlichen Positionen. So bringen die Franzosen mit Rückenschwimmer Lacourt und Freistil-Ass Agnel zwei Weltklasseschwimmer an den Start, haben jedoch Defizite auf der Brust- und der Schmetterlingsstrecke. Ähnlich geht es Geheimfavorit Japan, die zwar die Superstars Kitajima und Irie in ihren Reihen haben, denen aber ein konkurrenzfähiger Freistilschwimmer fehlt. Von diesen Schwachstellen könnte vor allem das deutsche Team profitieren. Zwar geht im deutsche Quartett kein Weltstar an den Start, die Mannschaft glänzt jedoch durch ihre Ausgeglichenheit. Jan-Philip Glania, Hendrik Feldwehr, Benjamin Starke und Marco di Carli ist es durchaus zuzutrauen sich in einem Feld gegen Russland, Frankreich, Japan oder auch Großbritannien zu behaupten. All diese Nationen haben eine realistische Medaillenchance. An einem guten Tag kommen sogar noch Italien, Brasilien oder  Südafrika hinzu. Letztlich haben wir somit einen haushohen Favoriten (USA), einen Verfolger (Australien) und etwa acht Nationen, die um die Podestplätze kämpfen. Daraus wird klar, dass bereits im Vorlauf die ersten Medaillenträume platzen könnten.

Hier die Statistik der Saisonbestleistungen für die 4x100m Lagenstaffel (Herren):
USA - 3:31,00 (Grevers 52,08 / Hansen 59,68 / Phelps 51,14 / Adrian 48,10)
Australien - 3:32,41 (Stockel 53,73 / Sprenger 59,91 / Wright 51,67 / Magnussen 47,10)
Japan - 3:33,35 (Irie 52,91 / Kitajima 58,90 / Matsuda 52,36 /  Fujii 49,18)
Frankreich - 3:34,11 (Lacourt 52,75 / Perez Dortona 1:00,86 / Lefert 52,48 / Agnel 48,02)
Großbritannien - 3:34,69 (Tancock 53,16 / Jamieson 1:00,50 / Rock 52,02 / Turner 49,01)
Russland - 3:34,71 (Vyatchanin 53,91 / Sludnov 1:00,60 / Konovalov 51,99 / Lobintsev 48,21)
Deutschland - 3:34,74 (Glania 53,50 / Feldwehr 1:00,48 / Starke 51,95 / di Carli 48,81)
Überraschungskandidaten: Brasilien, Italien, Südafrika

4x100m Freistil Damen: Außenseiterchancen für Steffen und Co.

Für DSV-Sportdirektor Lutz Buschkow zählen zudem die Damen über die 4x100m Freistil zu den Medaillenkandidaten. Hier ruht die Last vor allem auf den Schultern von Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen. Die Berlinerin wird das Team anführen. Schon nach der ersten Teilstrecke wird sich somit entscheiden, ob es etwas wird mit Edelmetall, ähnlich wie bei den Herren über die 4x200m Freistil. Steffen und ihre Teamkolleginnen Daniela Schreiber, Silke Lippok und Lisa Vitting gehen mit WM-Bronze dekoriert und als amtierende Europameisterinnen ins Rennen, doch bei der EM in Debrecen fehlte unter anderem das Team aus den Niederlanden. Die Weltmeisterinnen um Textil-Weltrekordlerin Ranomi Kromowidjojo gelten als haushoher Favorit über die 4x100m Freistil und wollen in London den vor vier Jahren gewonnenen Olympiatitel verteidigen. Alles andere als ein souveräner Sieg der Oranje-Sprinterinnen wäre eine faustdicke Überraschung. Dahinter sind die US-Girls mit Superteenie Missy Franklin und die in der Breite sehr starke australische Staffel die ersten Anwärter auf Edelmetall. Sollte keines dieser drei Teams patzen, wird es für die dahinter lauernden Nationen sehr schwer auf das Podium zu schwimmen. Dies gilt auch die die deutsche Staffel, die etwa auf einem Niveau mit den Teams Schweden oder Großbritannien liegt und somit lediglich Außenseiterchancen auf eine Medaille hat.

Hier die Statistik der Saisonbestleistungen für die 4x100m Freistilstaffel (Damen):
Niederlande 3:35,27 (Kromowidjojo 52,75 / Veldhuis 53,95 / Heemskerk 54,14 / Dekker 54,43)
Australien 3:35,74 (Schlager 53,74 / Campbell 53,84 / Kukla 54,08 / Emslie 54,08)
USA 3:36,19 (Schmitt 53,94 / Hardy 53,96 / Franklin 54,15 / Weir 54,14)
Großbritannien 3:37,24 (Halsall 53,57 / Smith 54,01 / Turner 54,71 / Lloyd 54,95)
Schweden 3:37,82 (Sjöström 53,29 / Alshammar 54,45 / Coleman 54,97 / Marko-Varga 55,11)
Deutschland 3:38,01 (Steffen 53,65 / Schreiber 54,41 / Vitting 54,94 / Lippok 55,01)
Überraschungskandidat: Dänemark

4x100m Freistil Herren: Wer kann die Aussies stoppen?

Für die weiteren Staffeln dürfte die Konkurrenz in London eine Nummer zu groß sein, zumindest mit Blick auf die Medaillen. Ziel ist es für sie im Finale eine starke Leistung abzurufen. Über die 4x100m Freistil der Herren zum Beispiel dürfte kaum ein Weg an den Sprintern um James Magnussen vorbeiführen. Konkurrenz kommt vor allem von den US-Amerikanern oder auch den Teams aus Frankreich und Russland. Erst dahinter rangiert das aus Marco di Carli, Markus Deibler, Benjamin Starke und Christoph Fildebrandt bestehende DSV-Quartett etwa auf eine Level wie die Teams aus Brasilien, Großbritannien und Italien.

Hier die Statistik der Saisonbestleistungen für die 4x100m Freistilstaffel (Herren):
Australien - 3:11,58 (Magnussen 47,10 / Roberts 47,63 / Targett 48,32 / Sullivan 48,53)
Russland - 3:13,32 (Lobintsev 48,21 / Izotov 48,27 / Grechin 48,28 / Morozov 48,56)
Frankreich - 3:13,49 (Agnel 48,02 / Gilot 48,38 / Leveaux 48,48 / Bernard 48,61)
USA - 3:13,54 (Adrian 48,10 / Jones 48,46 / Feigen 48,49 / Phelps 48,49)

Brasilien - 3:15,25 (Cielo 48,28 / Chierighini 48,79 / Fratus 49,09 / Oliveira 49,09)
Deutschland - 3:15,50 (di Carli 48,81 / Fildebrandt 48,84 / Deibler 48,88 / Starke 48,97)

4x100m Lagen Damen: Enges Verfolgerfeld hinter den Favoriten

Ähnlich ist das Bild bei den Lagendamen. Hier sind die Schwimmerinnen aus den USA die klaren Favoritinnen. Gefährlich könnten den US-Damen höchstens die Girls aus Australien werden. Dahinter streiten sich China, Großbritannien, Russland und möglicherweise auch Japan um die Medaille. Auf dem Papier sind die deutschen Frauen zwar mitten drin im Pulk der Verfolger, doch während gerade Teams wie Russland noch weiten Spielraum zu Verbesserungen haben, ist für die DSV-Mädels nicht mehr allzu viel Luft nach oben. Das Finale ist Pflicht. Mehr wird kaum im Bereich des Machbaren liegen. Als Geheimfavorit dürfte die Lagenstaffel Dänemarks zu sehen sein, die ein junges schlagkräftiges Team an den Start bringen werden, mit dem es auch die deutsche Mannschaft schwer haben wird.

Hier die Statistik der Saisonbestleistungen für die 4x100m Lagenstaffel (Damen):
USA - 3:55,03 (Franklin 58,85 / Soni 1:05,82 / Vollmer 56,42 / Schmitt 53,94)
Australien - 3:57,49 (Seebohm 59,28 / Pickett 1:06,88 / Coutts 57,59 / Schlanger 53,74)
Großbritannien - 3:38,75 (Simmonds 59,89 / O'Connor 1:08,04 / Gandy 57,25 / Halsall 53,57)
China - 3:59,17 (Chang Gao 1:00,68 / Sun Ye 1:07,30 / Lu Ying 57,48 / Tang  Yi 53,71)
Deutschland - 3:59,37 (Mensing 59,85 / Ruhnau 1:07,28 / Wenk 58,59 / Steffen 53,65)
Russland - 3:59,95 (Zueva 58,97 / Efimova 1:06,92 / Bespalova 58,91 / Popova 55,15)
Dänemark - 4:00,10 (Nielsen 59,69 / Pedersen 1:07,88 / Ottesen 58,47 / Blume 54,06)
Niederlande - 4:00,54 (van Rouwendaal 1:01,07 / Nijhuis 1:08,50 / Dekker 58,22 / Kromowidjojo 52,75)

4x200m Damen: DSV-Team muss ums Finale kämpfen

Das Problemkind unter den deutschen Staffeln könnten die 4x200m Freistil der Damen werden. Hier muss sogar um den Finaleinzug gebangt werden. An der Spitze sind ganz klar die US-Frauen und das Team aus Australien zu sehen. Die weiteren Medaillenkandidaten sind Frankreich, China, Großritannien oder auch Kanada. Auch die Schwimmerinnen aus Ungarn und Japan darf man nicht vergessen. Gegen eines dieser Teams könnten die DSV-Athletinnen um den Finaleinzug schwimmen. Ein Platz unter den besten acht düfte über diese Strecke somit durchaus als Erfolg gewertet werden.

Hier die Statistik der Saisonbestleistungen für die 4x200m Freistilstaffel (Damen):
USA - 7:46,19 (Schmitt 1:54,40 / Franklin 1:56,79 / Vollmer 1:57,25 / Perdue 1:57,75)
Australien - 7:46,00 (Barratt 1:55,99 / Palmer 1:56,04 / Schlanger 1:56,73 / Elmslie 1:57,24)
Frankreich - 7:49,31 (Muffat 1:54,66 / Balmy 1:58,14 / Etienne 1:58,23 / Bonnet 1:58,28)
China - 7:50,92 (Wang 1:57,26 / Tang 1:57,74 / Song 1:57,84 / Zhu 1:58,08)
Kanada - 7:52,09 (Jardin 1:57,34 / Cheverton 1:57,98 / Mac Lean 1:58,09 / Wilkinson 1:58,68)
Großbritannien -  7:52,17 (Adlington 1:58,68 / McClatchey 1:57,45 / Turner 1:57,65 / Faulkner 1:58,39)

Deutschland - 7:57,52 (Lippok 1:57,61 / Michalak 1:59,12 / Schreiber 1:59,26 / Bruhn 1:59,53)