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11. November 2015

(11.11.2015) Die neusten Enthüllungen rund um dopende Sportler, korrupte Funktionäre und ein staatlich verordnetes Dopingsystem in Russland erschüttern derzeit die Sportwelt. Im Mittelpunkt steht die Leichtathletik, doch auch der Schwimmsport könnte betroffen sein, befürchten Spitzentrainer wie DSV-Bundestrainer Henning Lambertz. Auch der Weltverband FINA steht in der Kritik.


"Das Ausmaß ist schlimmer als gedacht", erklärten die Verantwortlichen einer Ermittlungskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur in dieser Woche, als sie ihren Bericht zum systematischen Doping in Russland präsentierten. Im Mittelpunkt steht die Leichtathletik, doch die Befürchtungen, dass das Staatsdoping auch vor dem Schwimmsport nicht Halt machte, sind nicht neu.

Seit den Olympischen Spielen 2012 wurden 15 russische Schwimmer positiv getestet, unter ihnen auch Top-Star Yuliya Efimova. Ihre Sperre wurde nachträglich verkürzt, sodass sie im Sommer bei der Schwimm-WM im eigenen Lande starten konnte und hier die einzige Goldmedaille für ihr Heimatland holte.

"Was wir im Schwimmen bisher gesehen haben, reicht ja eigentlich", meint Deutschlands Chef-Bundestrainer Henning Lambertz dazu. "Aber man muss leider davon ausgehen, dass es nur die Spitze des Eisbergs ist und dass die Dunkelziffer höher ist."

Er ist nicht der einzige Spitzentrainer, der sich kritisch äußert. "Leute die sagen, es sei nicht nur Russland und nicht nur die Leichtathletik betroffen, haben zu 100 Prozent recht", erklärte John Leonard, der Direktor der Weltschwimmtrainervereinigung, dazu gegenüber der britischen Sportsmail.

Die Verbindung des jünsten Skandals zum Schwimmsport ist nicht weit. Verwickelt ist auch das Moskauer Anti-Doping-Labor, in dem fast 1.500 positive Proben russischer Athleten einfach beseitigt wurden. Es ist das gleiche Labor, im dem im Sommer die Dopingproben der Schwimm-WM in Kasan getestet wurden. Die noch in Moskau lagernden Proben werden nun ins Dopinglabor nach Barcelona verbracht.

John Leonarods Kritik gilt auch dem Anti-Doping-Kampf des Schwimm-Weltverbandes FINA. "Es kann nicht sein, dass die Leute, die den Sport vermarkten auch diejenigen sind, die entscheiden, wer getestet wird und worauf getestet wird", so Leonard. "Da bewacht der Fuchs den Hühnerbau."

"Solange so lax damit umgegangen wird, wird uns das Schild des unsauberen Sports anheften", meint auch Henning Lambertz unter anderem mit Blick auf die Verkürzungen beziehungsweise Verschleierungen von Dopingstrafen gegen Spitzenstars wie Efimova oder den chinesischen Olympiasieger Sun Yang.

"Es wäre falsch nur die Russen zu beschuldigen", erklärt Bill Sweetenham, der ehemalige Performance Direktor des britischen Schwimmverbandes. "Ich glaube nicht, dass die so viel schlimmer sind als manch andere Nation." Man bräuchte einen riesigen Besen, um hier sauber zu machen.

"Die FINA müsste hier vorweg gehen, aber keiner vertraut darauf, dass diese die Stärke dazu hat und sich in der Verpflichtung fühlt", so Sweetenham. "Leider läuft alles darauf hinaus, das Rio die schmutzigsten Olympischen Spiele werden, die wir je gesehen haben."

"Die FINA und die LEN (europäischer Schwimmverband, Anm. d. Red.) müssen ausschließen, dass es staatlich verordnetes oder staatlich gefördertes Doping gibt", erklärt auch Henning Lambertz.

Es sind Forderungen, die die höchsten Herren des Schwimmsports schon seit Jahren, ja sogar Jahrzehnten zu hören bekommen. Dass die jüngsten Enthüllungen aus der Welt des Sports für ein Umdenken sorgen würden, bleibt daher wohl nicht viel mehr als ein Wunschgedanke.

Update: Mittlerweile hat sich auch die FINA zu Wort gemeldet: FINA ließ russische Dopingproben u.a. in Köln testen