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16. Mai 2013

(16.05.2013) Neun Monate nach Olympia wurde der Untersuchungsbericht der Strukturkommission, welche im Anschluss an die Spiele in London eingesetzt wurde, veröffentlicht. Diese sollte die Ursachen untersuchen, die zum mageren Abschneiden der DSV-Athleten bei Olympia führten. Das Fazit: Die Schwimmer haben den Anschluss an die Weltspitze verloren. Die Stützpunkttrainer sind überlastet. Dem Nachwuchs fehlt es an Perspektive und Unterstützung.


Mit einer Nullnummer im Beckenschwimmen waren die Olympischen Spiele 2012 der bisherige Tiefpunkt eines anhaltenden Abwärtstrendes der DSV-Nationalmannschaft. Um die Gründe für das Abschneiden zu untersuchen, wurde eine elfköpfige Strukturkommission mit DSV-Präsidentin Christa Thiel an der Spitze eingesetzt. Das auch mit nicht aus dem Schwimmsport kommenden Mitgliedern gespikte Gremium tagte viermal im Herbst 2012. Nun wurden die Ergebnisse veröffentlich.

Den vollständigen Untersuchungsbericht finden Sie hier.

Wir werfen einen Blick auf die Kritikpunkte, die der Bericht aufzeigt und die Empfehlungen, welche die Kommission für einen Trendwechsel im deutschen Schwimmsport ausspricht:

Die Sportler:

Der Bericht mahnt an, dass die deutschen Sportler in weiten Bereichen den Anschluss an die Weltspitze verloren haben. Als grundsätzliche Ursache dafür wurden "Defiziten im Bereich der spezifischen Kraftausdauer und der spezifischen Grundlagenausdauer" gesehen. Die wirkt sich gerade bei den Saisonhöhepunkten auf die Regeneration zwischen Vor-, Halbfinal- und Endläufen aus. Auch Defizite bei der Trainingsgestaltung der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung und im langfristigen Leistungsaufbau wurden kritisiert.

Die Veränderungen des Qualifikationsmodus für die Olympischen Spiele, die zeitliche Vorverlegung der Deutschen Meisterschaften und deren Aufbau werden im Bericht nicht als Problem gesehen. Im Gegenteil: "An den Rahmenbedingungen des Verbandes hat das Abschneiden unser OS - Teilnehmer nicht gelegen."

Als Konsequenz empfiehlt die Strukturkommission eine Verbesserung des Grundlagenausdauer-Trainings. Zudem soll ein stärkerer Blick über den Tellerrand geworfen werden: "Die internationalen Entwicklungstendenzen sind zu analysieren und in die Trainingspraxis umzusetzen!" Auch das nationale Wettkampfsystem und die indivuiduelle Trainingsperiodisierung sollen auf die internationalen Saisonhöhepunkte ausgerichtet sein. 

Empfehlungen:

  • "Erhöhung der Wirksamkeit des GA-Trainings"
  • Ausrichtung des Trainings und der Trainingsinhalte an der Weltspitze
  • zielgerichtete Trainingsperiodisierung
  • Ausrichtung des Wettkampfsystems auf den Saisonhöhepunkt

Die Bundesstützpunkte:

Der stärkste Kritikpunkt des Berichtes mit Blick auf die Bundesstützpunkte lag in der Überlastung der als Leiter der Leistungszentren eingesetzten Trainer. Diese müssten einen ständigen Spagat zwischen Büroarbeit und Trainertätigkeit bewältigen. "Qualitative Mängel in beiden Bereichen wurden verzeichnet", heißt es so in dem Bericht. Als Konsequenz sollen den Bundesstützpunkttrainern nun Assistenten an die Seite gesetzt werden, welche die administrativen Aufgaben wahrnehmen sollen. 

Ein weiteres Problem: Im Personalkonzept des DSV waren zwar verschiedene Stellen vorgesehene, diese konnten jedoch nicht mit qualitativ geeigneten Kandidaten besetzt werden. "Es fehlen qualifizierte Nachwuchs- und Spitzentrainer", heißt es in dem Bericht. Insgesamt müsse der Trainerberuf lukrativer gestaltet werden und eine höherere gesellschaftliche Akzeptanz erfahren. Auch an der Aus- und Weiterbildung der Trainer soll gearbeitet werden. Im Untersuchungsbericht wird so z.B. die Schaffung eines hauptamtlichen Wissenschaftskoordinators angesprochen.

Die grundsätzliche Struktur der fünf Bundesstützpunkte des DSV in Hamburg, Berlin, Essen, Heidelberg und Halle/Saale wurde im Bericht nicht kritisiert. Die Schließung des Stützpunktes in Frankfurt / Main wurde bereits unabhängig von der Arbeit der Kommission durch den Deutschen Olympischen Sportbund angestrengt. Kritisiert wurde mit Blick auf die Leistungszentren vor allem, dass es eine stärkere Migration der in Frage kommenden Sportler hin zu den Bundesstützpunkten geben müsse.

Empfehlungen:

  • Assistenten für die Bundesstützpunkttrainer
  • lukrativere Gestaltung und höheres Ansehen des Trainerberufes
  • bessere Aus- und Weiterbildung von Trainern --> Einsetzung eines Wissenschaftskoordinators
Der Nachwuchs:

Für eine bessere Zukunft des deutschen Schwimmsport müssen die Grundlagen beim Nachwuchs gelegt werden. Hier sieht der Bericht ebenfalls Aufholpotential. Vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Leistungssport und den schulischen Pflichten wird angeregt. So wird empfohlen an den Stützpunkten "echte" Eliteschulen des Sports zu schaffen. Diese sollen differenzierte Stundenpläne und Schulzeitstreckung schon vor der Abiturstufe ermöglichen. "Die längste Zeit im Ausbildungsprozess unserer Leistungssportler ist während der Schulzeit", heißt es in dem Bericht. 

Auch die stärkere Zusammenarbeit zwischen den Bundes- und Landesstützpunkten wird angemahnt. Hierbei bemängelt der Bericht auch die oft zu spät oder gar nicht stattfindenden Wechsel der Sportler an die jeweiligen Bundesstützpunkte. Als Grund hierfür wird die oft dem Leistungssport entgegenstehende Interessenlage ("Familie / Schule / Studium / Beruf") genannt. Einen Lösungsansatz bietet die Kommission hierfür mit der Schaffung einer vertraglichen Bindung der Athleten der Perspektivkader.
 
Empfehlungen:
  • Bessere Vereinbarkeit von Schule und Sport an den "Eliteschulen des Sports"
  • stärkere Zusammenarbeit von Bundes- und Landesebene
  • Vertragliche Bindung der Perspektivkader
 

Mehrere Punkte des Berichtes sind bereits in der Umsetzung. Letztlich sprach die Kommission jedoch nur Empfehlungen aus. In einen nächsten Schritt muss untersucht werden, wie diese auf die Praxis anwendbar sind. Zahlreiche Fragen ließ die Kommission dabei offen. So stellen die Empfehlungen den Verband vor weitreichende finanzielle Anstrengungen. Auch ein zeitlicher Rahmen für eine mögliche Umsetzung der Vorschläge wurde nicht gesetzt. Letztlich muss der Bericht der Kommission, welche sich wie gesagt lediglich viermal traf, als eine Anregung, Diskussionsgrundlage bzw. ein Ausgangspunkt für konkrete Konzepte gesehen werden.