(28.12.2010) Nach dem gestrigen Blick auf die Leistungen der DSV-Athleten liegt der Fokus im zweiten Teil des Jahresrückblicks heute auf der internationalen Elite. Ryan Lochte schwang sich mit seinen Weltrekorden zum Schwimmer des Jahres 2010 auf, im Gegenzug hatte US-Star Michael Phelps ein sehr durchwachsenes Jahr. Doch es geht nicht nur um die reinen Leistungen der Athleten in den zurückliegenden Monaten. Tiefe Trauer erfasste die Schwimmwelt im Herbst nach der Meldung des Todes von Freiwasserschwimmer Francis Crippen. Auch das Thema Doping steht wieder mehr auf der Tagesordnung als noch 2009. (Bild: Speedo)
Der Gewinner des Jahres 2010 aus internationale Sicht heißt ohne Zweifel Ryan Lochte. Bei den Pan Pacific Championships im Sommer ließ der Sunnyboy mit den grünen Turnschuhen selbst Michael Phelps alt aussehen und holte sich insgesamt sechs Titel. Der 26-Jährige schwamm in diesem Jahr in einer anderen Liga. Auch die weltweite Konkurrenz konnte ihm nichts anhaben. Bei der Kurzbahn-Weltmeisterschaft in Dubai holte er sich nicht nur sechs Titel. Mit seinem Weltrekord von 1:50,08 Minuten über die 200m Lagen konnte er als erster Schwimmer eine der Hightech-Bestmarke auf einer Einzelstrecke knacken. Auch über die doppelte Distanzt stellte er in 3:55,50 Minuten einen neuen Weltrekord auf. In der Endabrechnung des Jahres 2010 führt Lochte in der Weltrangliste auf der Langbahn über die 200m Rücken sowie die 200m und 400m Lagen. Auf der Kurzbahn liegt er neben diesen Distanzen auch über die 200m Freistil und 100m Lagen auf Platz eins der Bestenliste. Ein Weltrekord, den Lochte in Dubai nicht knacken konnte, war der von Paul Biedermann über die 200m Freistil. Über diese Strecke wird die Konkurrenz in den kommenden Jahren sehr eng werden. Mit Frankreichs Supertalent Yannick Agnel, Weltrekordhalter Paul Biedermann, den Russen Izotov und Lobintzev, Chinas Sun Yang, dem Koreaner Tae-Hwan Park und nicht zuletzt Michael Phelps wird der derzeit in einer anderen Dimension schwimmende Lochte hier eine ganze Horde an Jägern haben.
Michael Phelps ohne Glanz im Jahr 2010
Einer der Verlierer des Jahres 2010 war sicher Michael Phelps. Zwar leistete er sich seine “Schwächen” bei den eher weniger bedeutenden PanPancs, doch die Wettkämpfe in Irvine im August machten deutlich, dass Phelps noch einiges an Arbeit vor sich hat, um an die alten Erfolge anzuknüpfen. Über die 400m Lagen, die er jahrelang dominierte, scheiterte Phelps in Irvine bereits im Vorlauf. Über die 200m Lagen kniff er vor dem Duell gegen Ryan Lochte. Zuvor musste er sich bei den Paris Open über die 200m Freistil Yannick Agnel geschlagen gegeben und war über die 100m Freistil baden gegangen. Auf die Kurzbahn-Saison verzichtete Phelps dann komplett um sich bereits auf die Weltmeisterschaft in Shanghai im kommenden Jahr zu konzentrieren. ”Ich kann es nicht mehr hören, dass alle sagen, er sei außer Form. Das wissen wir. Also heißt es Klappe halten und etwas dagegen tun,” erklärte sein Trainer Bob Bowman. Lediglich über die Schmetterlingsstrecken konnte Phelps auch 2010 sein Können unter Beweis stellen. Über die 100m führt er die Weltrangliste an, über die doppelte Strecke war 2010 der Japaner Takeshi Matsuda schneller. Ein Achtungszeichen konnte Phelps zudem über die 100m Freistil setzten. Als Startschwimmer der 4x100m-Staffel der USA bei den PanPacs schwamm er sich in 48,13 Sekunden vorübergehend an die Spitze der Weltrangliste, in der Endabrechnung ist es die zweitschnellste Zeit des Jahres. Damit nährt der 25-Jährige die Spekulationen, dass er diese Strecke auch in Zukunft stärker in seinen Fokus rücken will.
PanPacs schneller als die EM und Commonwealth Games
Im Jahr zwischen den Weltmeisterschaften blieb der internationalen Elite auf der olympischen 50m-Bahn nur das Fernduell der verschiedenen kontinentalen und terretorialen Titelkämpfe. Bei den “PanPacs” konnten sich die Schwimmer aus den Anrainerstaaten des Pazifiks messen. Die Commonwealth Games brachten die besten Schwimmer aus den Gebieten des ehemaligen britischen Empire zusammen. Im Vergleich mit den Commonwealth Games und den Europameisterschaften waren die Pan Pacific Championships vor allem dank der US-Schwimmer der schnellste Wettkampf auf der Langbahn im Jahr 2010, erst dahinter kommt die EM. Abgeschlagen bei dieser “virtuellen WM” waren die Commonwealth Games. Neben diesen drei Titelkämpfen im Sommer waren auch die Schwimmer bei den Asien Spielen im Herbst schnell unterwegs und stellten einige neue Textil-Weltrekorde auf. Für eine der besten Leistungen des Jahres 2010 sorgte hier auch der erst 18-jährige Chinese Sun Yang, der in 14:35,43 Minuten auf nicht einmal eine Sekunden an den Fabelweltrekord von Grant Hackett aus dem Jahr 2001 heranschwamm.
Die Schwimmwelt trauert um Fran Crippen
Doch es gab nicht nur Grund zur Freude für die internationale Schwimmwelt im Jahr 2010. Am 23 Oktober verunglückte der us-amerikanische Freiwasserschwimmer Francis Crippen beim Weltcup-Rennen über die 10km in Fujairah am Golf von Oman tödlich. Bei Temperaturen von mehr als 30°C und heißer, feuchter Luft ertrank der 26-Jährige, der keineswegs unerfahren war, sondern zu den Spitzenathleten des Freiwasserschwimmens zählte. Noch immer werden die genauen Umstände untersucht. Zahlreiche Top-Athleten fordern vom Weltverband FINA nun strengere Regularien für die Rahmenbedingungen von Freiwasser-Wettkämpfen, so zum Beispiel eine Höchsttemperatur für das Wasser oder auch eine höhere Mindestanzahl an Begleitbooten. Diese waren in Dubai nur sehr spärlich vorhanden. Die einzige Konsequenz der FINA war bisher jedoch lediglich eine Verschiebung der Termine der Weltcup-Rennen im kommenden Jahr.
Auch Doping 2010 wieder ein Thema
Nachdem man im vergangenen Jahr – auch aufgrund der Hightech-Anzüge – so gut wie nichts davon hörte, rückte 2010 auch das Thema Doping wieder etwas mehr in den Fokus. Eines der prominentesten Beispiele war wohl der Spanier Rafael Munoz. Ihm drohte aufgrund mehrerer verpasster Dopingtests eine Sperre, doch die FINA akzeptierte die “persönliche Situation” des 22-Jährigen als Entschuldigung und stellte das Verfahren kurz vor der EM in Budapest ein. Hier schwamm Munoz dann zum Titel über die 50m Schmetterling. Diskussionen gab es auch um die Brasilianerin Daynara de Paula, die bei den Südamerika Spielen im Frühling positiv getestet wurde. Eine Entscheidung in ihrem Fall ließ auf sich warten und so startete sie u.a. noch bei den Pan Pacific Championships. Ende August wurde die 21-Jährige dann ein halbes Jahr gesperrt, startete jedoch noch bei den Militär-Weltmeisterschaften in Warendorf. Unter den Dopingsündern des Jahres 2010 waren außerdem u.a. der Australier Ryan Napoleon, der Kurzbahn-EM-Medaillengewinner Maxim Shcherbakov aus Russland oder auch der polnische Olympiateilnehmer Lukasz Giminski. Auch Frankreichs Sprint-Star Fred Bousquet bekam 2010 eine Dopingsperre. Er musste zwei Monate pausieren, nachdem er positiv auf das Stimulanzmittel Heptaminol getestet wurde.
Keine gute Rolle im Dopingkampf spielten 2010 die großen Verbände. Trotz lautstarker Diskussionen im vergangenen Jahr, als die FINA auf Bluttest bei der WM in Rom verzichtete, wurden 2010 auch bei der Europameisterschaft in Budapest und der Kurzbahn-WM in Dubai keine Bluttest durchgeführt. “Es ist immer dasselbe, was soll das? Wir verstehen nicht, warum die FINA das macht, wir sind nur die Doofen, die es abbekommen und erklären sollen”, so Paul Biedermann zu diesem Thema. Die FINA begründete ihr Vorgehen übrigens mit “logistischen Problemen” in Dubai.
Fall Schöber beschäftigt DSV
Auch der Deutsche Schwimm-Verband blieb vom Thema Doping nicht verschont. Dem bereits im vergangenen Jahr bekannt gewordenen auffälligen Bluttest bei Brustspezialistin Sonja Schöber folgte eine bis zum November 2010 datierte einjährige Sperre. Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) hielt die Strafe für zu mild und legte daraufhin vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS Berufung ein. Dieser verlängerte die Sperre um ein weiteres Jahr, Schöber darf somit bis November 2011 keinen Wettkampf bestreiten. Ein weiterer Fall dürfte vor allem im Umgang mit vermeidlich harmlosen Medikamenten sensibilisieren. So sperrte der DSV einen 13-jährigen Nachwuchssportler nach einem positiven Test auf das verbotene Mittel Clenbuterol. Das Vergehen wurde mit einem Griff zum falschen Hustensaft begründet. Tatsächlich besteht die Gefahr das recht verbreitete Mittel “Mucosolvan” mit dem ähnlich klingenden “Spasmo Mucosolvan” zu verwechseln. Letzterer enthält jedoch eben jenes Clenbuterol. Vor allem im Nachwuchsbereich ist hier ein waches Auge gefragt.
Im morgigen Teil des Jahresrückblicks 2010 wird es dann um den DSV-Nachwuchs im nun bald zurückliegenden Jahr gehen.