31. Oktober 2025

Racing statt Scheuklappen

Oft wird gesagt: „Konzentrier dich auf dein Rennen! Ignorier, was die anderen machen!“ Das mag zutreffen, wenn man eine bestimmte Zeit anpeilt oder sich auf eine neue eingeübte Technik konzentrieren will. Doch geht es um den Sieg, dann ist dieser nicht nur abhängig von der eigenen Leistung, sondern auch von dem, was die Konkurrenz macht. Im Rennen ums Podest heißt es also: Scheuklappen ablegen und die anderen Bahnen aus dem Augenwinkel im Blick behalten. So kann auf unerwartete Attacken reagiert werden. Technik etc. müssen jetzt ohnehin schon so automatisiert sein, dass wir daran keine Gedanken mehr verschwenden müssen. Und seien wir ehrlich: Wem gelingt es schon, die anderen komplett zu ignorieren? Lassen wir uns drauf ein! Let’s race!

Rennen richtig einteilen

Selbst die wenigen Sekunden eines 50m-Rennens können lang genug sein, um auf den letzten Metern „zu sterben“. Umso bedeutender ist die Renneinteilung auf den längeren Strecken. Im Wettkampf begegnen uns drei Typen an Racern: Die einen gehen schnell an, doch hinten raus kommt der Mann mit dem Hammer. Die anderen schwimmen ein relativ ähnliches Tempo das ganze Rennen über. Und die dritte Gruppe kann zum Ende sogar noch einen drauflegen. Die Praxis zeigt, dass es der ersten Gruppe am seltensten gelingt, zuerst anzuschlagen. Klar, kickt das Laktat erstmal richtig, steht man quasi im Becken. Coaches loben dann zwar, man habe versucht „mutig alles rauszuholen“. Doch tatsächlich wurde mit den Energiereserven nicht richtig hausgehalten und man hat eben nicht das Optimum erreicht. Ebenso kann es sich rächen, denn Rennstart „zu verschlafen“, denn Sekunden, die man hier auf die Konkurrenz verliert, können später nur schwer aufgeholt werden. Aus diesem Grund gehen viele auch gern besonders schnell an, meinen es dann aber doch etwas zu gut. Abseits der beiden Extreme des Over- bzw. Underpacings geben meist nur wenige Zehntel pro Bahn den Ausschlag darüber, ob die bestmögliche Leistung gezeigt wurde. Das richtige Gefühl für Geschwindigkeit und die eigene Power sind also entscheidend. Der Schlüssel dafür: Regelmäßiges Race-Pace-Training! 

Surfen auf der Welle

Vor allem bei Freistilstrecken ab 200m lässt sich zusehends diese Taktik beobachten: Das Wellensurfen. Dabei wird nahe an der Leine zu der Bahn eines schnelleren Konkurrenten geschwommen, um sich auf dessen „Welle“ zu setzen. Klar, die Bahnbegrenzungen heißen zwar „Wellenkillerleinen“, aber so ganz schlucken sie die beim Racen verursachte Strömung nicht. Wichtig ist, dass man seinen schnelleren Gegner nicht zu weit davon ziehen lässt. Etwa eine halbe Körperlänge dahinter ist meist ideal. Das Schwimmen auf der Welle spart Energie, ähnlich wie es bei einem Surfbrett der Fall ist, dass sich ja auch ohne eigenen Antrieb auf einer Welle fortbewegt. Für schnellere Athleten wiederum heißt das: Möglichst mittig auf der Bahn schwimmen, sodass sich die Langsameren nicht so einfach dranhängen können.

Attacke auf der Außenbahn

Die Schnellsten schwimmen in der Mitte, die Langsameren der Vorläufe oder des Meldeergebnisses auf den Außenbahnen. So kennen wir es alle von Schwimm-Wettkämpfen. Die Besten sollen so die idealsten Bedingungen bekommen, die man vermeintlich auf den Bahnen vier und fünf vermutet, wo sich zum Beispiel die Reflexion der Wellen durch den Beckenrand weniger bemerkbar macht. Das bringt aber auch einen Nachteil mit sich. Die Bahnen 1 und 8 sind von der Mitte aus meist nur schwer zu erblicken. Darin liegt die Chance der Schwimmer auf den Randbahnen. Setzen sie eine Attacke im Rennen, können sie den Favoriten enteilen, ohne dass diese es sehen. Bemerken die Mittelbahnen es dann, könnte es schon zu spät sein. Auf dem Papier ist man auf der Randbahn ohnehin ein Underdog. Warum also nicht mal etwas probieren, und versuchen, die Außenseiterrolle für sich zu nutzen?

Dieser Artikel erschien in der Winterausgabe 2022 des swimsportMagazine. Alle noch verfügbaren Ausgaben der Zeitschrift für den Schwimmsport können im großen swimsportMagazine-Paket bestellt werden. Zum Sonderpreis erwarten euch hier mehr als 1500 Seiten geballtes Schwimmwissen --> Das swimsportMagazine-Paket