08. Juli 2025

Für Isabel Gose hätte das Schwimmjahr 2024 wohl kaum erfolgreicher verlaufen können: auf drei WM-Medaillen zu Beginn des Jahres folgten Olympiabronze sowie Gold und Silber bei den Kurzbahn-Weltmeisterschaften. Bei den nun anstehenden Titelkämpfen in Singapur könnte die Erfolgswelle weitergehen und das gleich mit doppelter Chance, denn die 23-jährige Magdeburgerin wird nicht nur im Becken, sondern erstmals auch im Freiwasser auf die Jagd nach WM-Medaillen gehen.

"Manchmal frage ich mich, ob ich all das wirklich so genießen konnte, wie es der Moment verdient hätte", blickt Isabel Gose auf die Erlebnisse von Paris zurück, wo sie mit der Bronzemedaille über die 1500m Freistil und zwei weiteren fünften Plätzen begeisterte. Die Erinnerungen an Olympia - an ihre Rennen, die Siegerehrung und das ganze Event drum herum - seien dabei von ganz besonderer Bedeutung: "Das sind so tolle Gedanken, die da immer wieder in meinem Kopf entstehen, die mir so viel Motivation geben.". Die zusätzliche Motivation habe Gose nach den Olympischen Spielen nicht nur den Wiedereinstieg ins Training erleichtert, sondern gleichzeitig den Anreiz geschaffen, sich sprichwörtlich in neue Gewässer zu wagen. 

Und das direkt mit Erfolg: Bei ihrer Freiwasser-Premiere zu Beginn des Jahres beim Weltcup in Ägypten, wusste sich Isabel Gose über die 10km mit einem starken vierten Platz nicht nur gegen erfahrene Freiwasser-Asse zu behaupten, sondern machte im direkten Aufeinandertreffen mit der nationalen Konkurrenz auch die WM-Quali perfekt. Zwar traf sie gemeinsam mit Trainer Bernd Berkhahn die Entscheidung, in Singapur auf ihren Startplatz über die 10km zu verzichten, wird dafür aber bei den in der kommenden Woche beginnenden Titelkämpfen das deutsche Team in der Staffel verstärken und zudem beim ebenfalls Premiere feiernden Knock-Out Sprint an den Start gehen. 

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"Ich war ehrlich gesagt überrascht, wie das alles abgelaufen ist.", blickt Isabel Gose auf ihr Freiwasser-Debüt beim Weltcup zurück. Dass die Top Drei trotz ihrer überzeugenden Vorstellung noch ein gutes Stück voraus waren, beschäftigt die Top-Schwimmerin noch immer, kurbele aber gleichzeitig ihren Ehrgeiz an: "Taktisch war ich da nicht clever genug und habe etwas den Anschluss verloren – darüber ärgere ich mich bis heute ein wenig." Die Idee, das eigene Können auch mal im Freiwasser zu testen, war für die mehrfache Deutsche Rekordhalterin aber nicht neu. In der Trainingsgruppe von Bernd Berkhahn - der mit Florian Wellbrock, Oliver Klemet und Sharon van Rouwendaal auch mehrere hochdekorierte Freiwasser-Stars angehören - sei diese Möglichkeit oftmals besprochen worden. Die nach-olympische Saison sei nun der perfekte Zeitpunkt gewesen, sich in dieser Richtung auszuprobieren. Das Training habe sich bislang aber kaum verändert, denn Isabel Gose absolviert schon lange die selben Umfänge wie die Freiwasserschwimmer der Magdeburger Trainingsgruppe. Die WM-Quali in Ägypten hat Gose ohne besondere Freiwasser-Vorbereitung absolviert - bei den anstehenden Weltmeisterschaften wird dies anders sein. Es scheint, als habe die im Becken hochdekorierte Athletin ihr Potenzial im Freiwasser wahrlich noch nicht ausgeschöpft.

Nichtsdestotrotz liege der Fokus für Isabel Gose weiterhin auf den Beckenwettbewerben, aber sie betont auch: "Ich will natürlich auch im Freiwasser schon mal zeigen was geht und das Team da zu 100% unterstützen.". Genau eine Woche nachdem die Freiwasser-Events in Singapur zu Ende gehen, wird Gose bei den Titelkämpfen wie gewohnt die 400m, 800m und 1500m Freistil bestreiten. Für die Zeit dazwischen sei insbesondere die Regeneration entscheidend. Zudem geht es darum, den Schwung mitzunehmen und den mentalen Fokus aufrechtzuerhalten. Nach den beeindruckenden Erfolgen der letzten Jahre, hat sich die Erwartungshaltung für Isabel Gose spürbar nach oben geschraubt. Damit für sich selbst umzugehen, sei nicht immer leicht. Wie Gose im Gespräch erzählt, erlebt sie den inneren Druck oftmals stärker als die Erwartungen, die von außen an sie herangetragen werden. Besonders hilfreich sei es in solchen Momenten, ruhig zu bleiben und auf die eigenen Stärken zu vertrauen. 

Diese Strategien seien ebenso wichtig, wenn es um den Vergleich mit der internationalen Konkurrenz geht. Mit Katie Ledecky, Summer McIntosh und Lani Pallister präsentierten sich in den zurückliegenden Wochen gleich drei Freistilspezialistinnen in absoluter Topform und glänzten zum Teil mit neuen Weltrekorden. Für Isabel Gose zeige der Blick auf Ledecky und Co. insbesondere, wo ihre eigenen Reserven liegen und mit welchen Anpassungen Verbesserungen erzielt werden können. Im direkten Aufeinandertreffen mit den Besten der Welt erlebt Gose bei internationalen Titelkämpfen stets einen besonders Push, auch da sie auf nationaler Ebene die langen Freistilstrecken oftmals als Rennen alleine gegen die Uhr bestreite. In den vergangenen Jahren hat sie so zwar ein gutes Gefühl dafür entwickelt, wie schnell sie im Wettkampf unterwegs ist, aber umgeben von der internationalen Konkurrenz sei es leichter, absolute Topzeiten zu erzielen. 

Doch auch die eigene Form ist dabei entscheidend. Das Training der vergangenen Monate beschreibt Gose wie ein ziemliches Auf und Ab. So sei es aber auch vor der Kurzbahn-WM Ende des vergangenen Jahres gewesen, die für die Magdeburgerin nicht zuletzt aufgrund ihres ersten Weltmeistertitels unglaublich erfolgreich verlief. "Deswegen bin ich jetzt einfach gespannt, was kommt.", blickt sie voraus. Wenn die Titelkämpfe in Singapur für Isabel Gose am 19.Juli mit dem Knock-Out Sprint im Freiwasser beginnen, wird sie eine erste Antwort auf ihre Frage erhalten.