Im modernen Schwimmsport müssen Athleten meist mehrmals täglich Spitzenleistungen abrufen, egal ob ein Wettkampf im Vorlauf–/Finalmodus oder in Zeitläufen ausgetragen wird. Schon junge Schwimmer lernen zwei bis fünf Mal täglich und öfters an den Start zu gehen. Die Fähigkeit mehrmals am Tag hohe Leistungen abrufen zu können, erfordert natürlich eine Reihe von Maßnahmen, um den Schwimmerkörper darauf zu trainieren. Wir haben euch einige Tipps zum Thema „Wettkampfhärte“ zusammengestellt.
Da viele nationale und internationale Wettkämpfe mehrere Tage dauern, sollten auch im Training speziell dahingehend einige Faktoren berücksichtigt werden. Ein gezieltes Belastungssystem sollte gefunden werden, um ähnliche Szenarien, wie Sie im Wettkampf vorkommen, auch im Training zu üben.
Verschiedene Typen von Schwimmern
Eine interessante Erfahrung für viele junge Trainer ist, dass Athleten in der Phase der speziellen Wettkampfvorbereitung und auch während eines Wettkampfes auf verschiedene Reize oft anders reagieren. Die negative Überraschung ist oftmals, dass Schwimmer ihre aus dem Training planmäßig erwartete Leistung nicht abrufen können. In diesem Fall spielt natürlich die Erfahrung des Trainers aber auch das Wissen um individuelle Typen von Schwimmern eine große Rolle.
Das hilfreichste Instrument für den Trainer sind dabei langfristige Trainingsaufzeichnungen und -dokumentationen, um wiederkehrende Muster in der Wettkampfvorbereitung zu erkennen. So kann mit Erfahrungswerten der Frage, welches Tapering oder welches Einschwimmen regelmäßig zu positiven oder eher negativen Wettkampfresultaten führt, nachgegangen werden.
Die Trainingsplanung in der letzten Trainingsphase (oft auch Taperingphase genannt) ist für Trainer und Sportler eine besonders große Herausforderung, weil genau die Individualität der Schwimmer eingegangen werden muss. Es gibt Sportler, die bringen ihre besten Leistungen, wenn bis zum Schluss relativ hohe Belastungsumfänge geschwommen werden. Es gibt aber auch Athleten, welche bis zu vier Wochen Erholung und damit relativ geringe Umfänge und Intensitäten brauchen, um am Zieltag ihre Bestleistungen abrufen zu können. Dazwischen liegt natürlich eine sehr große Bandbreite, und diese gilt es für alle Betroffenen auf der Basis von Erfahrungswerten so gut wie möglich herauszuarbeiten. Deswegen lohnt es sich zum Beispiel gerade bei jungen Sportlern bzw. Athleten im Juniorenalter mehrere Taper-Situationen im Jahresverlauf zu haben, um so Daten zu sammeln, welcher Zeitpunkt für das „Runterfahren“ für den jeweiligen Athleten optimal ist.
Die Leistung im Wettkampf – Stichwort: Laktat
Das Thema Laktatverträglichkeit, oft umgangssprachlich auch Stehvermögen genannt, spielt bei nicht nur bei jedem einzelnen Rennen eines Schwimmers eine große Rolle sondern auch bei der Frage, wie oft er sich pro Tag voll belasten kann. Mit Blick auf die Laktakverträglichkeit werden teilweise ganzjährig aber vor allem in Richtung des Saisonhöhepunktes immer mehr wettkampfspezifische Trainingsreize gesetzt, indem man die Wettkampfstrecken meisten in der Hauptlage in Unter- und Überdistanzen trainiert.
Im Wettkampf ist die Laktatkonzentration im Blut kurz nach den Rennen am höchsten. Für den Laktatabbau ist für Trainer und Athleten folgende Merkformel anzuwenden: Laktat wird im Körper mit ca. 0,5 mmol/l pro Minute nach Belastungen abgebaut. Das bedeutet, erreicht ein Schwimmer bei einer Mittelstrecke ca. 10 bis 12 mmol Laktat, wird es etwa nach 20 Minuten auf das Niveau von 1 mmol/l Laktat zurückkehren. Dabei kann dieser Abbauprozess durch ein aktives Cool Down beschleunigt werden. Des Öfteren lässt sich bei Athleten nach sehr intensiven Belastungen im Training und im Wettkampf feststellen, dass im Falle des Verzichts auf das Ausschwimmen das Laktat einige Minuten länger in einer höheren Konzentration im Blut nachweisbar ist.
Das aktive Ausschwimmen nach intensiven Belastungen sollte zwischen 600m und 1200m liegen und hilft dem Körper bei der Erholung zwischen und nach den Starts. Eine anschließende leichte Dehnungseinheit oder auch Faszienbehandlung (Rollen oder Bälle) können für die Regeneration ebenfalls sehr positiv sein. Die Maßnahmen zur Erholung beim Wettkampf können bei mehrfachen Starts eine entscheidende Rolle spielen. Nicht umsonst sah man selbst beim früher für seine hohe Belastbarkeit bekannten Michael Phelps bei den Olympischen Spielen in Rio Abdrücke von Schröpfmassage auf dem ganzen Körper. Auch diese können bei der Regenration helfen.
Maßnahmen um mehrmals täglich Topleistungen abrufen zu können:
- Geregelte Abläufe:
- rechtzeitiges Aufstehen (ca. 2,5 bis 3 Stunden vor dem Wettkampf)
- rechtzeitige Anreise zur Wettkampfstätte
- Erstellen eines Zeitplanes für jeden Athleten, vor allem bei mehreren Starts in einem Wettkampfabschnitt
- Auffüllen der Energiespeicher:
- ausreichendes und verträgliches kohlenhydratreiches Frühstück (individuell abgestimmt)
- passive Regeneration in Form von Ernährung (oft auch flüssige Nahrungsergänzungsmittel) unmittelbar nach dem Rennen
- Vorbereitung auf den Start:
- allgemeines Aufwärmen an Land
- spezifisches Aufwärmen bzw. Einschwimmen
- Vorbereitung der Muskulatur und Technik für den ersten Wettbewerb
- Regenerationsmaßnahmen nach dem Rennen:
- aktive Regeneration durch Ausschwimmen zwischen den Starts
- passive Regeneration beispielsweise durch Nutzung von transportablen Kältebecken, Kälteduschen oder Cool-Bags
- Nutzung von diversen regenerativen therapeutischen Maßnahmen (z.B. Physiotherapie und Massage)
Mehrtägige Saisonhöhepunkte simulieren
Auch bei mehrtägigen Wettkämpfen gibt es verschiedene Maßnahmen, um sich auf die mehrfachen Belastungen vorzubereiten. Im Vorfeld sollten geplante Starts mit den Athleten besprochen und etwaige Staffeleinsätze und Finalteilnahmen mitberücksichtigt werden. Somit kann sich der Schwimmer psychisch schon auf die Aufgaben einstellen. Die regenerativen Maßnahmen können dementsprechend vorgeplant werdenden. Da es bei den meisten Wettkämpfen einen Zeitplan gibt, können Massagetermine oder die Zeiten für die Einnahme der Verpflegung vergleichsweise gut geplant werden. Nichts desto trotz kann es immer wieder Abweichungen vom Plan geben und eine gewisse Flexibilität ist erforderlich. Ähnliche Situationen können auch im Training eingespielt werden. Der Athlet lernt so mit besonderen und teilweise vielleicht überraschenden Situationen umzugehen.
Da kleinere Vorbereitungswettkämpfe oft nur ein oder zwei Tage dauern, kann man zum Beispiel in der Trainingsplanung nach einem solchen Wettkampf, einen dritten, vierten oder auch fünften Wettkampftag planen, um so quasi den Saisonhöhepunkt zu simulieren. Dabei sollte man als Trainer natürlich auf die folgenden Regenerationsphasen speziell achten. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, wiederkehrende Wettkampffolgen im Training einzubauen.
Um diese hohen Belastungen in Summe auszuhalten, ist für alle Schwimmer die Grundlagenausdauer extrem wichtig. Eine gute Ausdauerleistungsfähigkeit hilft bei der Regeneration zwischen sehr hohen Belastungen und hat positive Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit an langen Wettkampftagen. Auch Athleten, die vor allem 50 und 100m-Strecken schwimmen, können somit von der Grundlagenausdauer profitieren. Nicht ohne Grund trainierte selbst ein ausgewiesener Sprinter wie Caeleb Dressel in Umfängen, die sonst an Mittelstreckenschwimmer erinnern.
Training, Grundlagenausdauer, Wettkampfroutine
Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass der Schwimmerkörper durch gezielte Trainingsmaßnahmen (Wettkampfsimulationen, Mehrfachbelastungen im Jugend-/Juniorenalter) auf Wettkampfhärte geschult werden kann und auch Kurzstreckenschwimmer eine gewisse Grundlagenausdauer brauchen, um sich mehrfach am Tag hoch belasten zu können. Dies ist auch mit Blick auf den Laktatabbau wichtig. Grundsätzlich muss besonders beim Thema der Spitzenbelastung im Wettkampf die Individualität eines jeden Schwimmers beachtet werden. Die genaue Dokumentation von Erfahrungswerten hilft dabei, das optimale Taperfenster und die jeweils passenden Regenerationsmaßnahmen für den einzelnen Athleten zu ermitteln. Die eingespielten Abläufe und gewohnten Wettkampfroutinen sind für Schwimmer also mehr als Aberglaube oder Glücksrituale sondern spielen selbst oder gerade für geschulte Schwimmerkörper eine wichtige Rolle, um wiederholt Spitzenleistungen abrufen zu können.
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