Rückenschwimmer sind anders. Sie schwimmen verkehrtherum, starten rebellisch aus dem Wasser, trotzen den Regeln der anderen und dürfen dabei auch noch permanent atmen. Ihnen ist es egal, ob auf dem Beckenboden eine verlorengegangene Flosse liegt – sie schwimmen einfach drüber und keiner wird es ihnen je verübeln. Kein Rückenschwimmer wird jemals sagen können: „Ja, eindeutig 783 Kacheln!“. Die Frage „Hast Du keine Augen im Kopf?“ können sie belächeln – sie brauchen keine.
Ihre Lage ist das Symbol der Erholung. Sie liegen im Wasser und lassen Außenstehende schläfrig an die Karibik denken. Während sie ihre Bahnen ziehen, erinnern sie an süße Otterbabys. Aber Rückenschwimmen ist alles - nur nicht Karibik. Diese Lage erfordert einen hohen Kraftaufwand, Ausdauer und Koordination. Außerdem haben Rückenschwimmer auch noch mit ihren ganz eigenen Problemen zu kämpfen…
- Kunststück Rückenstart
Wie süße Robbenbabys vollführen unsere Rückenschwimmer wahre Kunststücke, wenn sie starten. Elegant schwingen sie sich aus dem Wasser, schießen empor wie junge Schwäne, überstrecken den Rücken und tauchen danach sanft ins blaue Element ein. Verzückt geht so mancher Zuschauer direkt in die Brücke, wissbegierig, ob er auch so gelenkig ist. Doch so ein Rückenstart erfordert viel Übung und viel Geduld. Aus diesem Grund kann man beim Training der Rückenschwimmer immer wieder interessante Startversuche sehen: Der eine krümmt seinen Rücken zum soliden „U“, sodass man es noch in den Kabinen knacken hört. Ein anderer schafft den Absprung nicht und schießt wie eine Fontäne geradewegs und mit Karacho durch das kühle Nass, um anschließend mit feuerrotem Rücken wieder am Startblock zu hängen – etwas demotivierter. Manch einer schafft es noch nicht mal, sich am Startblock festzuhalten und rutscht immer wieder mit verzweifelter Mimik ab. Doch wenn man den Vorgang einmal gemeistert hat, sorgt ein gekonnter Rückenstart beim Nicht-Schwimmer-Publikum genau wie ein eleganter Schmetterlingsschwimmer für offene Münder.
- Kein Heulen bei Beulen
Als Rückenschwimmer muss man schon ordentlich einstecken. Da die Augen im Hinterkopf fehlen, man nicht immer aufmerksam ist oder gerade vom Kolibri an der Hallendecke abgelenkt wird, kann es schnell passieren, dass man irgendwo gegenschwimmt. Gegen die Wand zum Beispiel. Oder die Leine. Manchmal schwimmt man auch in die Füße des Vordermanns. Wenn der sich dann aufregt, muss man sich selbst echauffieren – wer hat schließlich jetzt den Fußpilz am Kopf?
- Schlangenlinien, Zickzack – nur nicht geradeaus
Wenn man ein Training beulenfrei überstehen möchte, ist es zweckdienlich auf seiner Seite der Bahn zu bleiben. Alles andere führt nur zu Konflikten, Brüchen, den besagten Beulen oder Verwirrungen. Was schon bei normalen Hallendecken nicht immer einfach ist, wird bei schräger Decke zur Odyssee. Da kann man sich noch so stark konzentrieren: Ohne dass es der Rückenschwimmer bemerkt, hat er bereits drei Pirouetten gedreht, mit den Leinen jongliert, ein Herz ins Wasser gemalt und ist dabei im Nil gelandet. Deswegen wundern sich viele Rückenschwimmer auch immer am Ende einer Trainingseinheit, was ihnen so alles am Körper klebt: Drei Badekappen, ein Anker und vier Seeanemonen zum Beispiel.
- Weiß wohin das Auge reicht
Kachelnzählen ist ja schon langweilig. Aber wenn man dann hört, was der Rückenschwimmer am Tag so alles zu sehen bekommt, fühlt man sich von den Kacheln glatt bestens unterhalten. Rückenschwimmer sehen nichts als weiß! Vielleicht ist eine Hallendecke mal blau-grau gestreift, aber das ist dann auch schon das Highlight der Rückenschwimmer-Augen. Warum werde Hallendecken nicht bemalt wie die Sixtinische Kapelle? Obwohl – bei so viel Ablenkung wären wir wieder bei Problem Nummer 2.
- Noch einen Schluck Wasser, bitte!
Oder lieber nicht. Als Rückenschwimmer hat man zwar den klaren Vorteil, dauerhaft die Nase in der Luft zu haben, ohne dabei arrogant zu wirken. Der klare Nachteil ist aber, dass man nie so recht weiß, wann man Nase und Mund doch lieber dicht machen sollte. Praktisch wäre das zum Beispiel, wenn der Delphinschwimmer auf der Nebenbahn mal wieder angewetzt kommt. Der Gute bringt nämlich gerne einen kleinen Tsunami mit und schon wird das arme Rückenschwimmerhaupt mit Wasser überflutet. Man kann gut und gerne sagen, dass keine Nase der Welt so viel Wasser schmeckt, wie die des Rückenschwimmers. Dabei ist sie doch eigentlich zum Riechen da. Man muss ja nicht alles so genau nehmen.
- Die totale Versuchung
Man sieht sie schon aus dem Augenwinkel. Sie lächelt einen verführerisch an, zeigt sich in all ihrer Pracht. Sie zieht sich extra farbenfroh und auffällig an: Die Leine! Würde man sie nicht brauchen oder beim Anschlag sowieso regelmäßig brechen, würde man sich am liebsten die Hände abhacken, nur um nicht schon wieder an ihr zu ziehen. Die Rückenlage ist einfach die Lage mit der größten Versuchung zu schummeln. Damit ist sie auch die Lage mit der höchsten Bestrafungsquote. Wenn es Strafbahnen gibt, dann ist mindestens ein Rückenschwimmer dabei.
Der komplette Artikel erschien erstmals in der Frühjahresausgabe 2017 des swimsportMagazine. Alle noch verfügbaren Ausgaben der Zeitschrift für den Schwimmsport können im großen swimsportMagazine-Paket bestellt werden. Zum Sonderpreis erwarten euch hier mehr als 1500 Seiten geballtes Schwimmwissen --> Das swimsportMagazine-Paket