Wie sieht so ein echter Brustschwimmer aus? Schwer zu sagen… Während man die meisten anderen Schwimmart-Spezis alleine durch ihren Gang, ihren Körperbau oder ihr Auftreten erkennen kann, ist das beim Brustschwimmer nicht so einfach. Er kann in jedem vorbeilaufenden Schwimmer stecken, kann sich bewegen wie ein Delphinschwimmer, auftreten wie ein Kraulschwimmer und aussehen wie ein Rückenschwimmer.
Brustschwimmer sind Künstler und Alien in einer Person. Sie sind dafür geschaffen, sich ständig weiterzuentwickeln, sie bleiben niemals stehen oder ruhen sich aus. Brustschwimmer sind die Transformers des Schwimmsports und hier kommen sieben Gründe, warum das so ist:
1. Größe und Körperbau spielen keine Rolle
Schwimmer sollten groß sein. Riesige Hände, Füße, Ohren (ok, die vielleicht nicht) – das hilft alles beim Schwimmen. Früh wird gesiebt, wer mal ein erfolgreicher Schwimmer mit großen Flossen wird. Es wird gemessen, gewogen und verrenkt. Brustschwimmer können diesen Prozess nur müde belächeln, denn für sie spielt es keine Rolle, wie groß sie mal werden. Klar sind ein paar Pranken nützlich beim Wasserdrücken, aber das war es auch schon. Nicht umsonst sind die oft um die 1,80m „kleinen“ Japaner alles andere als schlechte Brustschwimmer. Weltrekordhalter Adam Peaty ist mit seinen 1,91m wiederum einer der „größeren“ Stars. Was sehen wir? Alles ist möglich. Beim Brustschwimmen kommt es eben auf andere Qualitäten an.
2. Brustschwimmer im ständigen Wandel
Brustschwimmer können ein Lied davon singen. Gerade hat man sich an eine neue, noch viel effektivere Technik gewöhnt, hat sie sich angeeignet, hart trainiert und sie perfektioniert und schon kommt der Trainer freudestrahlend mit einer verbesserten Variante angeflattert. Klar, umgewöhnen bereitet stets die größte Freude – nicht. Wer mag es schon konstant? Und noch während man mal wieder in einer Umgewöhnungsphase steckt, erreicht einen der nächste Knaller: Regeländerung! Ihr dürft nun einen Delphin-Kick einbauen, Gratulation! usw., usw.... Die anderen Schwimmarten orientieren sich an Leitbildern, haben unendlich viele Lehrfilme aus dem 16. Jahrhundert und wissen, wie der Hase läuft. Im Brustschwimmen ist das nicht so. Lehrfilme für Brustschwimmer müssten theoretisch permanent einer Live-Schaltung unterliegen, damit man sich nicht die Technik von gestern aneignet.
3. Nicht die Schulter, sondern das Knie
Brustschwimmer haben auch ihre ganz persönlichen Wehwehchen. Klassisch sind im Schwimmsport die Schulterprobleme. Haben Brustschwimmer auch. Doch dazu gesellt sich meist noch eine andere Problemzone: Das Knie. Durch die Beinbewegung beim Brustschwimmen wird das Knie leider sehr in Mitleidenschaft gezogen. Man kann einen Transformers-Brustschwimmer also doch an einer Sache erkennen: Er hält sich nicht die Schulter, sondern reibt sich das Knie.
4. Jeder denkt, er kann es – aber nur echte Brustspezis beherrschen es wirklich
Im Schwimmunterricht bzw. in den meisten Schwimmschulen in Deutschland wird das Brustschwimmen als erste Schwimmart gelehrt. Für viele Menschen ist es gleichzeitig auch das Letzte, was sie im Schwimmsport lernen. Schwimmen bedeutet für sie also Brustschwimmen und Brustschwimmen können sie. Das ist jetzt der Punkt, an dem alle Brustschwimmer laut lachen dürfen. Wie mehrfach betont, ist es fast unmöglich, das Brustschwimmen perfekt zu beherrschen, da sich das Leitbild permanent ändert. Und das Leitbild des heutigen Tages sieht eben nicht so aus: Kopf majestätisch hoch aus dem Wasser ragend, Arme panisch kreisend vor der Brust und scherenartig paddelnde Beine. Es muss schwer sein für Brustschwimmer, durch ein öffentliches Bad zu gehen und dabei hautnah miterleben zu müssen, was Menschen aus ihrer Schwimmart so alles machen, um dann auch noch zu sagen, sie können Brustschwimmen. Schwimmen ist mehr als Brustschwimmen, aber Brustschwimmen ist nicht das, was im Schwimmbad meist zu sehen ist. Man sollte dieser vermeintlichen „Schwimmart“ einen neuen Namen geben. Versuchsschwimmen oder so. Oder Bloß-keine-nassen-Haare-Schwimmen.
5. Platz da, ich bin Brustschwimmer
Brustschwimmer brauchen Platz. Teilweise mehr als ein Delphinschwimmer und die klauen sich meist schon das halbe Becken. Aber im Gegensatz zu den Schmett-Spezis breiten Brustschwimmer nicht nur ihre Arme aus, sondern schlagen auch noch mit ihren kräftigen Beinen wild um sich. Die meisten blauen Flecke kassiert man beim Training vom Brustschwimmer. Umso gefährlicher wird es dann, wenn der Trainer ansagt: 10x100m Hauptschwimmart-Beine und den Brustschwimmern schon ein Lächeln á la James-Bond-Bösewicht übers Gesicht huscht.
6. Immer die Letzten - aber mit stolzer Brust
Während der Kraulschwimmer sich bereits die Nägel gefeilt, der Rückenschwimmer das Wasser aus der Nase geschnaubt und der Delphinschwimmer seinen Bizeps geküsst hat, ist der Brustschwimmer gerade mal bei den letzten 50m. Stört ihn aber nicht. Lieber trainiert er, als am Beckenrand zu faulenzen. Natürlich ist seine Schwimmart die langsamste, aber auch das ist eine Besonderheit. Muss man erstmal schaffen. Wenn man ein Brustrennen gewinnt, ist man quasi der Schnellste der Langsamen. Und darüber hinaus ist man als Brustschwimmer der ideale Lagenschwimmer. Die meisten schwimmen schließlich bei der dritten Lage mehr rückwärts als vorwärts. Sie haben auch keine Zeit, sich das neuste Brust-Update zu ziehen und Brustschwimmen zu trainieren. Brustschwimmer dagegen haben alle Zeit der Welt. Sie brauchen doch eh für alles länger. Also trainieren sie die anderen Lagen gleich mit, während sie gleichzeitig die neuste Regelung vom Trainer beschrieben bekommen und ein paar Matheaufgaben im Kopf lösen.
7. Kräftig wie ein Stier
Brustschwimmen erfordert viel Kraft, denn beim Brustschwimmen kämpft man permanent mit dem Wasser. Natürlich geht es auch wie in den anderen Lagen um das Gleiten, aber in keiner anderen Lage wird auch so viel Wasser geschoben. Das erfordert viel Power und ein besonderes Krafttraining. Dazu gehört vor allem Disziplin. Man muss es erstmal schaffen neben den kognitiven Anforderungen einer sich ständig wandelnden Lage auch noch körperlich immer weiter am Ball zu bleiben. Die Brustspezis sind eben die Powerpumper unter den Schwimmern.
Brustschwimmer sind wahrlich einzigartig. Das zeigt sich in der Kombination ihrer Bewegungen, in ihrem stetigen Wandel und ihrem Selbstbewusstsein, lächelnd als Letzter im Training anzuschlagen. Brustschwimmer haben Grips, Werte und Kraft. Man wird als Brustschwimmer geboren und bleibt es auch. Sei es im Becken, an Land oder in der eigenen Lebensphilosophie. Jeder Brustschwimmer kann stolz sein, dazuzugehören.
Dieser Artikel erschien erstmals in der Sommerausgabe 2017 des swimsportMagazine. Alle noch verfügbaren Ausgaben der Zeitschrift für den Schwimmsport können im großen swimsportMagazine-Paket bestellt werden. Zum Sonderpreis erwarten euch hier mehr als 1500 Seiten geballtes Schwimmwissen --> Das swimsportMagazine-Paket