Direkt zu Beginn der Schwimmwettbewerbe bei den Olympischen Spielen in Paris wird Lukas Märtens am Samstag als Weltjahresbester über die 400m Freistil auf die Jagd nach Edelmetall gehen. Nachdem der deutsche Hoffnungsträger Anfang des Jahres mit Bronze bei den Weltmeisterschaften glänzen konnte, beeindruckte er nur wenige Wochen später bei den Deutschen Meisterschaften mit einer wahren Fabelzeit, als er in 3:40,33 Minuten bis auf 26 Hundertstel an den Weltrekord von Paul Biedermann heran schwamm.
Die Fortsetzung der deutschen Erfolgsserie auf den mittleren Freistilstrecken sei emotional etwas ganz besonderes für Märtens, denn Paul Biedermann sei seit jüngster Kindheit ein absolute Idol für ihn gewesen. "Dass ich mittlerweile an seine Leistungen herankomme und seine Topzeiten zum Wackeln bringe, erfüllt mich mit extrem viel Stolz", verrät der 22-Jährige im Interview mit swimsportnews.
"Ich mag die 400m Freistil besonders gerne. Da kann so viel passieren."
Dass die 400m Freistil zu Märtens erfolgreichsten, aber auch liebsten Strecken zählen, war tatsächlich nicht immer so. Ganz im Gegenteil sogar: In jungen Jahren war der gebürtige Magdeburger vor allem auf den Rückenstrecken zuhause. "Die 200m und 400m Freistil waren eigentlich immer meine Hassstrecken", erinnert er sich. Das Blatt habe sich seitdem er Teil der Trainingsgruppe von Bernd Berkhahn ist jedoch vollständig gewendet: "Bernd hat mir gezeigt, was ich auf den Freistilstrecken drauf habe". Zwar sei Märtens schon immer von der Grundgeschwindigkeit her flott unterwegs gewesen, seine Ausdauerfähigkeiten haben aber erst in der auf die langen Freistilstrecken gemünzten Trainingsgruppe entscheidend verbessert. Die 400m Freistil, Märtens vermutlich aussichtsreichste Strecke in Paris, liegen ausgesprochen gut im Wettkampfprogramm. "Am ersten Tag sind wirklich noch alle Körner vorhanden. Da kann ich wirklich, ohne mir den Kopf über mögliche Erschöpfung zu zerbrechen, alles raushauen", erklärt der Europameister von 2022.
Neben den 400m Freistil zählt auch die 800m-Strecke zu den favorisierten Rennen des international bereits hoch dekorierten Schwimmers. Diese wird Märtens bei seinen zweiten Olympischen Spielen jedoch nicht in Angriff nehmen. Denn mit 200m und 400m Freistil sowie den 200m Rücken und der 4x200m Freistilstaffel steht ihm ohnehin ein echtes Mammutprogramm in Paris bevor. Die durchaus schwierige Entscheidung darüber, über welche Strecken Lukas Märtens bei Olympia an den Start gehen wird, wurde in langen Gesprächen gemeinsam seinem Erfolgstrainer Bernd Berkhahn getroffen. Das Trainingspensum für die 1500m Freistil sei aufgrund eines schwierigen Saisonstarts nicht zu stemmen gewesen. Die 800m Freistil liegen im Wettkampfprogramm nicht ganz ideal, weshalb die Entscheidung am Ende zwischen den 200m und 800m Freistil getroffen werden musste - zu Gunsten der kürzeren Distanz, über die Märtens als aktuell Zweitplatzierter der Weltjahresbestenliste ins Becken springen wird. "Es macht mich schon ein wenig traurig, dass ich die 800m nicht bei Olympia schwimmen werde. Die Strecke macht mir wahnsinnig viel Spaß. Aber so habe ich mich nunmal entschieden.".
"Bei Olympischen Spielen kann man nicht pokern."
In den vergangenen Jahren hat sich Lukas Märtens eine beeindruckende Streckenvielfalt angeeignet, mit der für den Alleskönner bei Wettkämpfen jedoch eine hohe mentale und körperliche Belastung verbunden ist. Auch wenn er die entsprechende Wettkampfhärte viel trainiert hat und sich diesbezüglich gut vorbereitet einschätzt, hat Märtens schon oft erlebt, dass die vielen Wettkampfmeter ordentlich an die Substanz gehen und bei den letzten Starts dann auch schon mal etwas die Puste ausgeht. "Es ist schon sehr schwierig, über einen so langen Zeitraum, über so viele Strecken, die Spannung aufrecht zu erhalten. Bei Olympischen Spielen kann man natürlich auch nicht pokern und sagen, dieses Rennen schwimme ich jetzt mal ein wenig lockerer. Da muss man jede Strecke voll angehen und das zehrt natürlich."
Neben der Erfahrung habe auch die mentale Vorbereitung und die enge Zusammenarbeit mit einer Psychologin einen großen Anteil daran, dass sich Märtens den anspruchsvollen Wettkampfprogrammen immer mehr gewappnet sieht. Er habe viele Strategien entwickelt, die ihm sowohl beim Entspannen und Kopf ausschalten als auch beim Hochpushen in den richtigen Momenten helfen. Auch der Fokus auf eine ausgewogene Ernährung spiele eine ganz wesentliche Rolle.
"Wenn alles klappt, kann man schon in Richtung Medaillen schielen."
Zusätzlich zu den Einzelstarts verspricht sich Lukas Märtens von der 4x200m Freistilstaffel eine extra Portion Motivation zu gewinnen. Es sei immer etwas ganz Besonderes, bei internationalen Titelkämpfen gemeinsam als Team anzutreten. Das Quartett um Märtens, Rafael Miroslaw, Josha Salchow und Timo Sorgius hat anhand der Vorleistung vielversprechende Aussichten, den siebten Platz der vergangenen Olympischen Spiele in Tokio zu steigern und womöglich sogar den Deutschen Rekord aus dem Jahr 2009 anzugreifen, was der Deutsche Meister definitiv im Bereich des Möglichen sieht. "Wir haben in den letzten Jahren als Team sehr große Fortschritte gemacht, was auch im Hinblick auf die internationale Konkurrenz deutlich wird. Wir können da vorn gut mithalten und ich rechne mir da schon ein bisschen was aus.".
Auch wenn sowohl im Team als auch auf den Einzelstrecken die olympischen Medaillen im Bereich des Möglichen liegen, bemüht sich Lukas Märtens, den Erfolgsdruck nicht allzu groß werden zu lassen. "Natürlich weiß ich, was ich in diesem Jahr geschwommen bin und dass ich zum Kreis der Favoriten zähle", reflektiert der Erfolgsschwimmer. "Ich möchte in Paris einfach mein Allerbestes geben und meine besten Rennen, die ich bisher geschwommen bin, auf den Punkt abliefern. Und wenn all das klappt, dann kann man schon in Richtung Medaillen schielen." Aber auch die internationale Konkurrenz wird bei Olympia sicherlich in Topform auftrumpfen und hochmotiviert auf die Jagd nach Edelmetall, Märtens Weltjahresbestzeit und den Weltrekorden von Paul Biedermann gehen.
Bild: Christian Gold
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