Videotipp
29. April 2024

(29.04.2024) 18 Medaillen, ein Gold-Hattrick, Debütanten-Edelmetall, ein Weltrekord und ein bemerkenswertes Comeback: Die deutsche Nationalmannschaft im Para Schwimmen hat bei den Europameisterschaften auf Madeira (Portugal) einige Ausrufezeichen gesetzt und vier Monate vor Beginn der Paralympics wichtige Erkenntnisse mitgenommen. Erfolgreichste Athletinnen waren Gina Böttcher und Verena Schott, zudem holte Taliso Engel EM-Gold mit Weltrekord.

Sieben Mal Gold, sechs Mal Silber und fünf Mal Bronze gewann das deutsche Team und belegte damit Platz sieben im abschließenden europäischen Medaillenspiegel dieser auch für andere Nationen geöffneten Wettbewerbe, bei denen erstmals wieder Aktive aus Russland und Belarus als sogenannte neutrale paralympische Teilnehmende starteten. „Wir wissen, dass eine EM immer ein anderer Maßstab ist als eine WM oder die Paralympics. Daher schauen wir nicht nur auf die Medaillen, sondern vor allem auch auf die Zeiten und die direkte Auseinandersetzung mit den anderen Nationen. Insgesamt können wir viel Motivation und Selbstbewusstsein für den weiteren Weg in Richtung Paris mitnehmen, viele Zeiten lassen uns optimistisch sein“, betont Bundestrainerin Ute Schinkitz

Allen voran zeigte Taliso Engel seine bestechende Form trotz einiger gesundheitlicher Rückschläge in den vergangenen Jahren und anhaltender Schwierigkeiten mit dem rechten Ohr, auf dem er auch nach dem Einsetzen eines speziellen Implantats noch kaum etwas hört. Dies beeinträchtigt ihn jedoch mehr im Alltag als im Becken. Über seine Paradestrecke 100 Meter Brust gewann der sehbehinderte Athlet von der SG Bayer nicht nur den EM-Titel, sondern stellte im Vorlauf sogar einen neuen Weltrekord auf. Mit 1:02,22 Minuten war er 0,75 Sekunden schneller als 2021 bei den Paralympics. „Ich konnte endlich meine Bestzeiten aus Tokio knacken, daher bin ich sehr zufrieden mit der EM – auch wenn ich im Finale gerne noch schneller gewesen wäre“, sagt Engel, dem auch ein deutscher Rekord über 200 Meter Lagen gelang.

Zur dreifachen Europameisterin krönte sich Gina Böttcher, für die es die ersten internationalen Titel ihrer Karriere waren. „Dass es drei Goldmedaillen werden, hätte ich im Leben nicht gedacht. Das zeigt, dass sich die Arbeit im Training ausgezahlt hat. Mit Blick auf die Paralympics gibt mir das Selbstvertrauen“, sagt die 23-Jährige vom SC Potsdam. Lob gab es daher auch von der Bundestrainerin: „Ich bin positiv begeistert von ihren Leistungen. Gina hat ihre tolle Entwicklung absolut unterstrichen.“

Noch mehr Edelmetall sammelte Verena Schott, die direkt am ersten Wettkampftag Europameisterin wurde und zudem den goldenen Schlusspunkt setzte. Dazu gewann die 35-Jährige vom BPRSV aus Cottbus einmal Silber und zweimal Bronze. Die mit sechs Medaillen erfolgreichste deutsche Athletin der Weltmeisterschaften 2023, Tanja Scholz, erzielte eine Bronzemedaille, musste dann jedoch weitere Strecken absagen. Wichtig für sie war die internationale Klassifizierung. Josia Topf meldete sich nach seinem WM-Ausfall im Vorjahr nun mit drei Silbermedaillen zurück. Ein bewegendes Comeback auf der großen internationalen Bühne feierte Maike Naomi Schwarz, die im April 2021 mit schweren Depressionen eine mehrjährige Pause einlegen musste. Die Athletin vom SC Potsdam verpasste bei ihrer Rückkehr zwar das Treppchen knapp, schwamm aber über 100 Meter Rücken deutschen Rekord und die Paralympics-Norm.

Gold ging auch an Elena Semechin (geb. Krawzow) auf ihrer Paradestrecke 100 Meter Brust. Die sehbehinderte Schwimmerin, die den nach den Spielen in Tokio festgestellten Hirntumor nach kräftezehrender Chemotherapie vorerst besiegt hat, ist damit aktuelle Paralympics-Siegerin, Welt- und Europameisterin. Teamkollege Malte Braunschweig vom Berliner Schwimmteam gewann Silber über 100 Meter Schmetterling und Mira Jeanne Maack Bronze über 100 Meter Rücken. Zudem freute sich die Debütantin Charlotte Kast über Silber und Bronze bei ihrem ersten großen internationalen Auftritt. Die 15-Jährige profitierte dabei von überschaubarer Konkurrenz auf europäischer Ebene. Jüngste deutsche Athletin war Johanna Döhler mit 13 Jahren, der über 400 Meter Freistil ein deutscher Rekord gelang.

„Alle 15 Athletinnen und Athleten haben es ins Finale geschafft, das freut uns sehr. Einige haben ihre Ambitionen auf Edelmetall in Paris untermauert. Viele Vorhaben wurden gut umgesetzt, gleichzeitig haben wir aufgezeigt bekommen, woran wir in den kommenden Wochen und Monaten noch arbeiten müssen. Nach einer kurzen Verschnaufpause werden wir uns weiter mit Volldampf auf die Paralympics vorbereiten“, sagt Bundestrainerin Ute Schinkitz. Nächster Halt auf dem Weg nach Paris sind die Internationalen Deutschen Meisterschaft in Berlin vom 30. Mai bis 2. Juni. Bei den Spielen im Nachbarland hat das Nationalteam zwölf Startplätze erkämpft, sieben deutsche Schwimmerinnen und fünf Schwimmer werden das Team Deutschland Paralympics in Paris vertreten.

Die deutschen Medaillen im Überblick:

Gold: 3x Gina Böttcher (150m Lagen/SM4; 50m Rücken/S4; 50m Freistil/S4), 2x Verena Schott (100m Rücken/S6; 50m Schmetterling/S6), Taliso Engel (100m Brust/SB13), Elena Semechin (100m Brust/SB12)
Silber: 3x Josia Topf (150m Lagen/SM3; 50m Rücken/S3; 50m Freistil/S3), Malte Braunschweig (100m Schmetterling/S9), Charlotte Kast (400m Freistil/S7), Verena Schott (200m Lagen/SM6)
Bronze: 2x Verena Schott (100m Brust/SB5; 400m Freistil/S6), Charlotte Kast (200m Lagen/SM7), Mira Jeanne Maack (100m Rücken/S8), Tanja Scholz (50m Brust/SB2)

Text: DBS / Bild: Tino Henschel