(12.12.2023) Während die Delegierten der Landesverbände des Deutschen Schwimm-Verbandes am zurückliegenden Wochenende in Kassel zur großen Mitgliederversammlung zusammenkamen, war der einstige erste Mann des DSV, Marco Troll, in seiner Funktion als Vize-Präsident des europäischen Schwimmverbandes bei der Kurzbahn-EM in Rumänien zu Gast und durfte dort den Champions und Platzierten ihr Edelmetall um die Hälse hängen. Dass Troll diese Aufgabe wahrnehmen konnte, hat er auch der Entscheidung zu verdanken, das Amt als Präsident des Deutschen Schwimm-Verbandes abzugeben.
Vor fast genau einem Jahr stellte er sich nicht erneut zur Wahl, als die DSV-Mitglieder dazu aufgerufen waren, einen neuen Verbandsvorstand zu bestimmen. Seitdem war der DSV ohne Präsidenten - und Troll wird wohl der letzte gewesen sein, der dieses Amt in seiner bisherigen Form bekleiden durfte.
Denn bei jener Mitgliederversammlung am vergangenen Samstag in Kassel beschlossen die Delegierten, die Struktur der Verbandsführung grundlegend zu ändern. Statt die Führung des DSV den ehrenamtlichen Präsidenten und Vizepräsidenten zu überlassen, ist laut der neu verabschiedeten Satzung nun ein hauptamtlich besetzter Vorstand vorgesehen, der künftig den Verband leiten wird. Ein Präsidium und auch einen Präsidenten bzw. eine Präsidentin wird es zwar weiterhin geben. Deren Aufgaben sehen aber vor allem die Berufung und Kontrolle des neuen dreiköpfigen Vorstandes vor, ähnlich einem Aufsichtsrat in großen Unternehmen.
Bis die mit knapp 75 Prozent der Delegiertenstimmen verabschiedete neue Satzung voll greift, wird noch etwas Geduld gefragt sein. Zunächst ist für den 13. April 2024 eine Wahl des DSV-Präsidiums in seiner neuen Form vorgesehen. Bis dahin führen weiterhin die Vize-Präsidenten Kai Morgenroth und Wolfgang Rupieper den DSV. Beide hatten dies so auch schon seit der Amtsaufgabe Trolls vor einem Jahr getan.
Auch von 2018 bis 2020 gab es beim DSV bereits eine solche "präsidentenlose" Phase. Vorausgegangen war der Rücktritt der damaligen Verbandschefin Gabi Dörries. Geführt wurde der Verband anschließend von den Vize-Präsidenten sowie dem Leistungssportdirektor Thomas Kurschilgen, der damit sozusagen damals bereits hauptamtlich den Verband mit leitete, von dem sich der DSV aber wenige Monate nach der Amtsübernahme durch Troll trennte. Seitdem jagte eine Verbandskrise die nächste.
Nachdem es zunächst öffentliche Zwistigkeiten mit Bundestrainern und Aktiven um die Nachfolge Kurschilgens gab, sorgte anschließend der Rechtsstreit um dessen Entlassung für Schlagzeilen - all das in den Wirren der Coronaphase, die durchaus ihre Spuren in der Verbandskasse hinterließ. Es folgten die Veröffentlichungen um Missbrauchsfälle unter dem Dach des DSV und mitten in deren Aufarbeitung das Ende der Amtszeit Marco Trolls. Zuletzt attestierte der Magdeburger Bundestrainer Bernd Berkhahn vor wenigen Wochen der DSV-Spitze öffentlich im ARD-Morgenmagazin ein großes Führungsproblem.
Die Erkenntnis, "dass ein Spitzenverband in dieser Größenordnung langfristig nicht im Ehrenamt zu führen ist", wie es Vize-Präsident Morgenroth am Wochenende ausdrückte, scheint mit Blick auf die zurückliegenden Jahre also nicht überraschend zu sein. Der neue Vorstand dürfte vom ersten Tag an gefordert sein, die Altlasten, die sich aus der Vergangenheit ergeben haben, zu bewältigen. So erklärte Morgenroth am Wochenende zwar, die Liquidität des DSV sei sichergestellt. Doch die teuren Rechtsstreitigkeiten mit Kurschilgen und zuletzt im Fall des einstigen Weltklassewasserspringers Jan Hempel dürften nachwirken. Offen ist zudem noch die gerichtliche Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Wassersprung-Bundesstrainer Lutz Buschkow.
Einem Antrag auf die Erhöhung der Lizenzgebühren für Wettkampfschwimmer stimmten die Delegierten am Wochenende dennoch nicht zu. Darüber soll erst einmal weiter beraten werden. Eine neue Abstimmung folgt dann möglicherweise bei der nächsten Mitgliederversammlung im April, bei der dann auch ein Nachfolger für Marco Troll bestimmt wird. Ein Nachfolger im Amt des DSV-Präsidenten - aber mit neuer Funktion.