(23.01.2023) Der Deutsche Schwimm-Verband steht mal wieder in der Kritik, diesmal dreht es sich um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen unter dem Dach des DSV. Im zurückliegenden Jahr sorgten die Kollegen der ARD mit ihrer Dokumentation zu diesem Thema für hohe Wellen und auch der wichtigste Geldgeber des Verbands, das Bundesinnenministerium (BMI), interessiert sich anscheinend seitdem intensiv für den Umgang des DSV mit dem Problemfeld sexualisierter Gewalt. So sehr, dass sogar ein Untersuchungsbericht dazu verfasst wurde.
In diesem erkenne das BMI "grundlegende Defizite, die strukturell gelöst werden müssen", wie die ARD Sportschau am Wochenende berichtete. Das Ministerium mahnt: "Nach Auffassung des BMI sollte der DSV seine Aufklärungsarbeit zügig forcieren und sehr viel stärker vorantreiben."
Sogar die Fördermittel stellte das BMI auf dem Prüfstand. Die mehr als vier Millionen Euro, die der DSV jedes Jahr aus der öffentlichen Hand erhält, sind der mit Abstand größte Einnahmenposten im Haushalt des Schwimmverbands. Da der DSV aber formell die Schritte, die man sich selbst in der "Eigenerklärung zur Prävention und Bekämpfung von sexualisierter Gewalt im Sport" auferlegte, eingehalten hatte, fließen die Gelder weiter. Vorerst. So schreibt das BMI: "Konsequenzen für die aktuelle Förderung des DSV haben die Vorfälle daher zunächst nicht."
Der Bericht des Ministeriums ist unter anderem an die Mitglieder des Sportausschusses im deutschen Bundestag gerichtet. Vor diesem werden am Mittwoch die beiden im November gewählten DSV-Vizepräsidenten Wolfgang Rupieper und Kai Morgenroth erscheinen. Bei der Sitzung geht es zum einen um das Thema Schwimmbäder aber auch um "Herausforderungen und Perspektiven in puncto Schwimmen hierzulande". Auch die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle dürfte die Abgeordneten interessieren.
Es könnten unangenehme Fragen werden, die auf die DSV-Vizepräsidenten warten. Denn trotz großer Ankündigungen, die der Verband im vergangenen Jahr nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle verbreitete, geht die Umsetzung konkreter Maßnahmen wohl schleppend voran. Bereits im August hieß es so zum Beispiel, man wolle "schnellstmöglich ein externes und unabhängiges Aufarbeitungsteam einsetzen." Dieses gibt es bis heute nicht. Nach der Präsidiumswahl im November erklärte DSV-Vize Rupieper noch, die externe Kommission solle ein "Leuchtturmprojekt" werden. Wohl vorsorglich trat er aber damals schon rhetorisch auf die Bremse: „Aufarbeitung mit einem so hohen Anspruch braucht Zeit. In der öffentlichen Darstellung wird es jetzt gern mal so hingestellt, als würde hier zu wenig passieren. Aber ich kann euch versichern, dem ist nicht so. Wir arbeiten hier nur mit der gebotenen Sorgfalt", erklärte Rupieper im vergangenen Herbst.
Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt nun tatsächlich vorangetrieben wird. Offiziell sind Rupieper und Morgenroth zwar für die kommenden vier Jahre die Spitze des DSV, doch eigentlich gelten sie nur als Übergangslösung. Im Hintergrund wird derzeit an einer neuen Satzung des Deutschen Schwimm-Verbandes gearbeitet, welche die Führungsebene des Verbands umstrukturieren soll. Welche Rolle beide am Endes dieses Prozesses, der laut DSV bis Ende 2023 abgeschlossen sein soll, spielen werden, wird sich noch zeigen.
Während der DSV also derzeit auch viel mit sich selbst zu tun hat, findet das Thema Missbrauch und sexualisierte Gewalt zumindest außerhalb des Verbands zusehends Beachtung. Mit dem unabhängigen Zentrum für Safe Sport soll bis zum Frühjahr eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene, Vereine, Coaches und weitere Beteiligte des Sports die Arbeit aufnehmen.