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13. Januar 2022

(13.01.2022) Es war ein Umbruch, der sich da vor nahezu genau zwei Jahren im Deutschen Schwimm-Verband vollzog: Nach dem Rücktritt des damaligen Chef-Bundestrainers Henning Lambertz verantworteten fortan mit Bernd Berkhahn und Hannes Vitense gleich zwei Bundestrainer die Geschicke der deutschen Schwimm-Nationalmannschaft. Der eine als "Team-Chef", der andere als "Team-Coach". Doch trotz dreier Medaillen bei den Olympischen Spielen und mehrerer WM-Titel ist diese Doppelspitze nun Geschichte. Zum 1. Februar 2022 sucht der Deutsche Schwimm-Verband einen neuen Kopf für die Position als Chef-Bundestrainer/in (CBT) im Schwimmen.

Ohne großes Aufsehen, man könnte schon sagen "still und heimlich", wurde die Ausschreibung für den sowohl für Becken- als auch Freiwasserschwimmen verantwortlichen Posten bereits kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Auch mehr als drei Wochen später erfolgte dazu bisher keine weitere Kommunikation nach draußen seitens des Verbandes und das, obwohl der Bewerbungsschluss bereits am 31. Januar liegt. Auch auf mehrfache Anfragen zu der Entscheidung, die Verantwortung für die deutschen Spitzenschwimmer künftig wieder in einer Person zu konzentrieren, erhielten wir vom DSV bisher keine Rückmeldung. 

Es sieht danach aus, dass man noch vorsichtig am genauen Wortlaut strickt, mit dem man die Neuausrichtung beschreiben möchte. Ein Indiz dafür, dass die Entscheidung wohl nicht von allen Beteiligten mitgetragen bzw. befürwortet wird. Neben der Vorbereitung auf Tokio sollten Berkhahn und Vitense auch eine langfristige Strategie entwickeln, "um den deutschen Schwimmsport näher an die Weltspitze zu führen", hieß es bei ihrer Verpflichtung vor zwei Jahren. Diese Arbeit werden sie nun, zumindest an der Spitze der A-Nationalmannschaft, wohl nicht fortsetzen können.

Allzu überraschend ist es zwar nicht, dass beim DSV wieder ein CBT fürs Schwimmen eingesetzt werden soll. Schließlich favorisiert auch der für die Verbandskasse extrem wichtige Deutsche Olympische Sportbund die Struktur mit einem alleinigen verantwortlichen Chef-Bundestrainer für die jeweiligen Sportdisziplinen. Trotzdem wird man sich der Frage stellen müssen: Warum jetzt? Das deutsche Team konnte in Tokio erstmals seit 13 Jahren wieder olympisches Edelmetall holen, gleich in dreifacher Ausführung. Alle Podestplätze, sowohl die Gold- und Bronzemedaillen von Florian Wellbrock als auch die Bronzeplakette für Sarah Köhler (die mittlerweile ebenfalls den Namen Wellbrock trägt), verantwortete Bernd Berkhahn als deren Heimtrainer. Und auch andere im Olympiateam zeigten, dass man wieder ein paar Meter des Abstands zur Weltspitze aufholen konnte.

Mit diesen Erfolgen im Hinterkopf lesen sich übrigens die Anforderungen des Stellenprofils für den CBT-Posten, als würde man Bernd Berkhahn beschreiben. Von "internationaler Reputation", "erfolgreicher Trainertätigkeit in der Sportart Schwimmen (Becken- und Freiwasserschwimmen)" oder auch "überdurchschnittlichem Engagement" ist da die Rede. Qualitäten, die Berkhahn allesamt mitbringt, doch allzu wahrscheinlich erscheint es nicht, dass er nun vom BT zum CBT aufsteigt. Da ist zum einen der Umstand, dass zu den Aufgaben als CBT zwar eine Fülle an Tätigkeiten zählt, doch die Arbeit am Beckenrand mit einer Trainingsgruppe gehört nicht dazu. Das hat durchaus einen Grund, denn bei der Entscheidung über Kader- oder Nationalteamnominierungen spricht der bzw. die CBT ein entscheidendes Wörtchen mit. Wenn man dann noch eine eigene Trainingsgruppe hat, ist es schwer, Interessenskonflikte zu vermeiden. Berkhahn als CBT könnte das Ende des Erfolgsgespanns Berkhahn-Wellbrock bedeuten.

Zum anderen machten sich Bernd Berkhahn und Hannes Vitense, der sich zuletzt vor allem um die aufwändigen strukturellen Aufgaben kümmerte, im zurückliegenden Jahr auch bei der Verbandsspitze nicht allzu beliebt. Im "öffentlichkeitswirksam" über die Medien ausgetragenen Konflikt um die Position als DSV-Sportdirektor kritisierten beide in einem offenen Brief die Entscheidung, den damaligen Sportdirektor Thomas Kurschilgen zu entlassen, und forderten zudem die Einsetzung von Michael Groß in dieser Position. Das sorgte für viel Wirbel. Der Umgang mit Kritikern, auch und vor allem in den eigenen Reihen, gehört beinahe schon traditionell nicht zu den Stärken des DSV. 

Ganz auf die Qualitäten von Berkhahn und Vitense wird man dennoch kaum verzichten können. Die immens erfolgreiche Arbeit, die in den zurückliegenden zehn Jahren in Magdeburg geleistet wurde, trägt in vielen Punkten die Handschrift von Berkhahn. Ein Abgang ins Ausland, wie er schon von der einen oder anderen Stimme ins Spiel gebracht wurde, wäre ein Verlust nicht nur für Magdeburg, sondern für ganz Schwimm-Deutschland - gilt aber ebenfalls nicht als sehr wahrscheinlich. Hannes Vitense könnte sein Wissen demnächst im Nachwuchsbereich einbringen, wie unbestätigten Quellen zufolge hinter den Kulissen gemunkelt wird. Die unkommentierte Veröffentlichung der CBT-Stellenausschreibung trägt nun natürlich noch dazu bei, dass vielerorts bunt spekuliert wird. Auch darüber, mit wem als CBT der Deutsche Schwimm-Verband letztendlich in den kurzen, neuen Olympiazyklus starten wird. Auch abseits des Schwimmbeckens stehen uns also mal wieder spannende Wochen und Monate bevor.

UPDATE: Einen Tag nach unserer Veröffentlichung hat sich auch der DSV zu der Angelegenheit geäußert. Mehr dazu hier: DSV: Neuer Chef-Bundestrainer soll "Fokus auf Sprint und Mittelstrecke" legen

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