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18. April 2021

(18.04.2021) Drei intensive Qualifikationswochenende liegen hinter den deutschen Schwimmern. Bei Wettkämpfen in Heidelberg, Magdeburg, Eindhoven, Antwerpen, Berlin, Stockholm und sogar in Kalifornien haben sie um die Tickets zu den Olympischen Spielen gekämpft. Am Ende finden wir 30 Namen auf der Kandidatenliste für Tokio (siehe unten).

Neben den aktuellen WM-Medaillengewinnern Florian Wellbrock, Sarah Köhler, Finnia Wunram, Rob Muffels und Leonie Beck dürfen auch vielversprechende junge Talente ihre Koffer für die Reise nach Japan packen. Weit vorn in den Weltranglisten liegen so zum Beispiel die beiden Magdeburger Isabel Gose (18) und Lukas Märtens (19). Stark waren auch Fabian Schwingenschlögl und David Thomasberger, die sich jeweils mit Deutschen Rekorden ins Olympiateam schwammen.

Spannend wird nun noch die Frage, ob sich zu den laut Nominierungskriterien für Tokio qualifizierten Athleten noch weitere Schwimmer hinzugesellen. Bundestrainer Bernd Berkhahn hatte vor dem letzten Wettkampftag des finalen Quali-Meetings in Berlin im Hinblick auf durch die Corona-Pandemie ausgefallene Sportler erklärte: "Ich bin mir sicher, dass der DOSB an einigen Stellen kulant ist, denn in anderen Sportarten ist es noch schlimmer, und da werden noch mehr Zugeständnisse gemacht".

Möglich wären zusätzliche Nominierungen nur unter zwei Gesichtspunkten: Zum einen könnten Schwimmer nominiert werden, die zwar die deutschen Normen verfehlten, aber immerhin die internationale Norm, den sogenannten "A-Cut" erbringen konnten. Das trifft zum Beispiel auf Angelina Köhler zu, die bereits 2019 zum Beginn des internationalen Olympia-Qualifikationsfensters die A-Norm über die 100m Schmetterling erbrachte und auch eine Absicherung für die Lagenstaffel wäre. Sie konnte in Berlin aufgrund eines positiven Corona-Tests nicht starten. Gleiches gilt für ihren Hannoveraner Teamkollegen Sven Schwarz, der schon bei der Junioren-EM 2019 in 7:53,74 Minuten über die 800m Freistil auf dem Weg zu Bronze unter der A-Norm blieb. Beide wurden durch die Corona-Pandemie unmittelbar bei ihren Chancen auf Olympia beeinträchtigt.

Auch andere Athleten blieben zwar über der DSV-Norm, knackten aber den A-Cut. Über die 200m Lagen der Damen trifft das sowohl auf Kathrin Demler als auch die 17-jährige Zoe Vogelmann zu, die in 2:12,12 Minuten zeitgleich über der deutschen Norm (2:11,90), aber unter der internationalen Norm (2:12,56) blieben. In Berlin gelang es zudem dem Leipziger Marek Ulrich im Vorlauf über die 100m Rücken in 53,75 Sekunden die internationale A-Norm zu knacken. Da er das im Finale nicht bestätigen konnte und der Berliner Ole Braunschweig im Endlauf schneller war, verlor Ulrich den potentiellen Platz als Startschwimmer der Lagenstaffel. Braunschweig wiederum nutzte am Sonntag die 200m Rücken, um im Angang über die ersten 100m in 53,74 Sekunden ebenfalls die A-Norm zu unterbieten. Theoretisch könnten beide damit zwar in Tokio starten, doch die Frage ist hierbei, ob eine Ausnahmenominierung von Ulrich aus Sicht der Verantwortlichen überhaupt notwendig wird. Da sich mit Christian Diener, der am Sonntag 200m-Norm ablieferte, ein zweiter Rückenschwimmer entsprechend der Nominierungsvoraussetzungen für die Spiele in Japan qualifiziert hat, wäre durch ihn auch die Lagenstaffel abgesichert.

Die Staffeln sind der zweite Bereich, in dem Ausnahmen möglich sind. Auch Schwimmer, die keine A-Norm erfüllt haben, können für Olympia nominiert werden, wenn man sie als “Relay-Only Athletes” meldet. Diese Athleten müssen dann jedoch auch zwingend in einer Staffel eingesetzt werden und können nicht nur als "Olympia-Touristen" mitfliegen. Acht solcher “Relay-Only Athletes” stehen bisher im deutschen Team. Bis zu zwölf reine Staffelschwimmer könnte der DSV laut den internationalen Regularien für Tokio melden.

Mit Blick auf die deutschen Schwimmer, die sich regulär für die Spiele qualifizieren konnten, ergeben sich in den Staffeln eigentlich nur zwei Lücken: Zur Absicherung der Lagenstaffel der Damen fehlt jeweils eine zweite Brust- und Rückenschwimmerin im Team. Während auf der Bruststrecke Jessica Steiger ein leistungsmäßig adäquater Ersatz für die Erstbesetzung Anna Elendt wäre, konnte in den zurückliegenden Wochen über die 100m Rücken keine deutsche Athletin an die Leistungen von Laura Riedemann herankommen, die als Startschwimmerin der Lagenstaffel vorgesehen ist. Mehr als eine Sekunde war die nächstbeste Rückenschwimmerin über die 100m-Strecke langsamer als die Hallenserin. Da könnte es schwierig werden, Argumente für eine Ersatznominierung zu finden. Eine interessante Option als Brustschwimmerin wäre auch Kim Herkle. Die 18-Jährige müsste nicht als reine Staffelschwimmerin nominiert werden, da sie am Sonntag über die 200m Brust in 2:25,40 Minuten den A-Cut unterbot.

All das ist natürlich rein spekulativ und Ausnahmen waren in den zurückliegenden Jahren stets sehr rar. Knapp verpasste Normen sind zwar immer schade, doch in der Vergangenheit war das kaum ausreichend, um die Nominierungskriterien aufzuweichen. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit diesmal die Auswirkungen der Corona-Pandemie eine Rolle spielen. Die Entscheidung darüber, welche Athleten mit nach Tokio fliegen, fällt letztlich der Deutsche Olympische Sportbund. Die DSV-Verantwortlichen unterbreiten dem DOSB in Kürze ihre Nominierungsvorschläge für Tokio. Offiziell will der DOSB seine Olympiateilnehmer dann im Zeitraum zwischen Ende Mai und Anfang Juli bekannt geben.  

Entsprechend der Nominierungskriterien könnte so das deutsche Team für Tokio aussehen:

  • Damen:
    • Annika Bruhn (100/200m Freistil, 4x100m Freistil/Lagen/Lagen mixed, 4x200m Freistil)
    • Isabel Gose (200/400*/800m Freistil, 4x200m Freistil)
    • Leonie Kullmann (4x200m Freistil / eventuell 400m Freistil*)
    • Sarah Köhler (800/1500m Freistil  / eventuell 400m Freistil*)
    • Celine Rieder (1500m Freistil)
    • Laura Riedemann (100m Rücken / 4x100m Lagen / 4x100m Lagen mixed)
    • Franziska Hentke (200m Schmetterling)
    • Anna Elendt (4x100m Lagen)
    • Lisa Höpink (4x100m Freistil, 4x100m Lagen)
    • Marie Pietruschka (4x100/200m Freistil)
    • Hannah Küchler (4x100m Freistil)
    • Leonie Beck (10km)
    • Finnia Wunram (10km)
  • Herren: 
    • Damian Wierling (100m Freistil, 4x100m Freistil/Lagen)
    • Lukas Märtens (200/400*/1500m Freistil, 4x200m Freistil)
    • Florian Wellbrock (800/1500m Freistil, 10km, eventuell 400m Freistil*)
    • Henning Mühlleitner (4x200m Freistil, eventuell 400m Freistil*)
    • Fabian Schwingenschlögl (100m Brust, 4x100m Lagen/Lagen mixed)
    • Lucas Matzerath (100m Brust)
    • Marco Koch (200m Brust)
    • Marius Kusch (100m Schmetterling, 4x100m Lagen/Lagen mixed, 4x100m Freistil)
    • David Thomasberger (200m Schmetterling)
    • Philip Heintz (200m Lagen)
    • Christian Diener (200m Rücken)
    • Jacob Heidtmann (200/400m Lagen / 4x200m Freistil)
    • Ole Braunschweig (4x100m Lagen)
    • Christoph Fildebrandt (4x100m Freistil)
    • Eric Friese (4x100m Freistil)
    • Poul Zellmann (4x200m Freistil)
    • Rob Muffels (10km)

*Drei Schwimmer blieben hier unter der Norm, doch bei Olympia können pro Strecke nur maximal zwei Schwimmer pro Nation starten.