(16.07.2021) Wir schreiten voran im Countdown zu den Olympischen Spielen 2021! In sieben Tage steht die Eröffnungsfeier in Tokio an. In unserem Ausblick auf die Schwimm-Events der Olympischen Spiele 2021 nehmen wir heute die Freistilstrecken unter die Lupe. Alle Einsätze der deutschen Schwimmer findet ihr hier: Die Starts der deutschen Schwimmer bei Olympia 2021

Wenig Action auf den Sprintstrecken

Die Riege der deutschen Kraul-Könner bei Olympia ist geprägt von den Ausdauerschwimmern. Nur ein Sprinter ist möglicherweise am Start*. Die 50m Freistil bleiben komplett unbesetzt. Über die 100m-Strecke steigt Damian Wierling auf den Block. Bei den Spielen 2016 schwamm Wierling in 48,35 Sekunden ins Halbfinale und war seitdem nicht wieder so schnell. In diesem Jahr kam er in 48,48 Sekunden schon knapp an seine Bestzeit heran. Diese wird er voraussichtlich knacken müssen, um wie vor fünf Jahren unter die Top 16 vorzustoßen. In der bereinigten Weltrangliste (nur 2 Athleten pro Nation) sind mehr als 20 Athleten schneller als Wierlings Bestleistung. Elf Schwimmer blieben in diesem Jahr schon unter 48 Sekunden. Diese Marke muss wohl für das Finale unterboten werden. Ganz vorn wird es interessant, ob Caeleb Dressel wie schon 2019 erneut eine 46er Zeit abliefern kann und auch der Auftritt des Youngsters David Popovici, der in 47,30 Sekunden mit erst 16 Jahren vor wenigen Tagen die Weltjahresbestzeit aufstellte, wird mit Spannung erwartet.

Routine und Youngsters für die 200 und 400m

Über die 200m Freistil werden Isabel Gose, Annika Bruhn, Lukas Märtens und Jacob Heidtmann in Tokio zu sehen sein. Sowohl Isabel Gose (1:56,93) als auch Annika Bruhn (1:57,17) gehen bei Olympia mit frischen Bestzeiten an den Start. Die Top-Leistung von Gose im hohen 1:56er Bereich könnte in Tokio das Ticket ins Halbfinale sichern. Auch Bruhn hat dazu ganz klar das Zeug, wie sie schon 2018 als Schlussschwimmerin der siegreichen deutschen 4x200m Mixedstaffel bei der EM in Glasgow zeigte. Damals lieferte sie eine fliegende Zeit von 1:56,34 Minuten ab. Um den Sprung ins Finale zu schaffen, muss der Blick wohl zu den flachen 1:56er Leistungen bis in den 1:55er Bereich gehen. An der Spitze des Feldes zeigte die Australierin Ariarne Titmus in diesem Jahr in 1:53,09 Minuten eine Ausnahmeleistung, mit der sie bis auf elf Hundertstel an den 2009 noch zu Hightech-Zeiten aufgestellten Weltrekord der Italienerin Federica Pellegrini herankam. Sollte Titmus das wiederholen, werden wohl selbst die Titelverteidigerin Katie Ledecky und Weltmeisterin Pellegrini kaum eine Chance haben.

Bei den Herren sorgte Lukas Märtens in diesem Jahr in 1:46,41 Minuten für eine Bestzeit, mit der er sogar die Top-Leistung seines erfahrenen Nationalteamkollegen Jacob Heidtmann (1:46,83) unterbot. Märtens Zeit könnte in Tokio für das Halbfinale reichen. Für das Finale wird aber wohl wie schon bei der WM 2019 klar eine Leistung unter 1:46 benötigt. Der Kampf um die Medaillen dürfte sich dann im Bereich von um die 1:44,0 abspielen. Ohnehin stehen Märtens Finalchancen auf den 400m Freistil deutlich besser. Im April katapultierte sich der 19-Jährige in 3:44,86 Minuten in die Weltspitze. Er reist auf Platz sieben der Weltrangliste nach Tokio. Direkt dahinter findet sich im globalen Ranking Henning Mühlleitner (3:45,36). Bei der WM 2019 hätten beide Zeiten locker fürs Finale gereicht, doch in Tokio dürfte die Konkurrenz noch etwas schärfer sein. Es könnte ein schwieriges Abwägen werden zwischen Vollgas im Vorlauf und Körner sparen für das Finale. Immerhin: Dazwischen liegt eine Nacht zum Verschnaufen, da die Vorläufe in Tokio am Abend und die Finals am frühen Vormittag ausgetragen werden. Um auch in den Kampf um die Medaillen eingreifen zu können wird für die Deutschen eine klare Steigerung notwendig sein. Diese dürften im 3:43er wenn nicht sogar 3:42er Bereich weggehen.

Auch für Isabel Gose stehen neben den 200m auch die 400m Freistil in Tokio auf dem Programm. Sie stellte 2021 in 4:05,19 Minuten eine Bestzeit auf und bekommt Gesellschaft von Leonie Kullmann (4:06,25). Bei der WM 2019 hätten diese Leistungen fürs Finale gereicht, doch in den vergangenen beiden Jahren lieferten zahlreiche Damen rund um den Globus schnellere Leistungen ab. Es ist durchaus möglich, dass fürs Finale Zeiten von um die 4:05:0 gefordert sein werden. Im Rennen um die Medaillen wird es wahrscheinlich unter die Vier-Minuten-Marke gehen. Dort liefern sich die Titelverteidigerin Katie Ledecky und die Weltmeisterin Ariarne Titmus ein Rennen auf Augenhöhe, sollten sie in Bestform sein.

Die Medaillenfavoriten: Wellbrock und Köhler

Auf den langen Kanten warten die wohl größten Medaillenfavoriten im deutschen Team: Florian Wellbrock und Sarah Köhler reisen als Weltmeister und Vize-Weltmeisterin über die 1500m nach Tokio. Klar, dass der Blick für beide in Richtung der Podestplätze geht. Die Vorleistungen waren vielversprechend und das, obwohl das Duo bereits sicher für Tokio qualifiziert war und damit im Frühjahr noch gar nicht Vollgas geben musste. Wellbrock kam trotzdem in 14:36,45 Minuten schon bis auf drei Zehntel an seinen Deutschen Rekord heran, mit dem er der viertbeste Athlet aller Zeiten ist. Schneller war seit 2019 nur Wellbrocks Dauerkonkurrent Gregorio Paltrinieri, der im Sommer 2020 in 14:33,10 Minuten einen neuen Europarekord aufstellte. Auch der Ukrainer Mykhailo Romanchuk blieb in dieser Saison unter 14:40. Außer dem Trio ist kein anderer Athlet in Sicht, der in diesen Bereich vorstoßen könnte. Es müssten also Überraschungskandidaten auf sich aufmerksam machen oder einer der Favoriten patzen, damit wir in Tokio eine andere Podiumsbesetzung sehen als zuletzt bei der WM 2019 und EM 2018. Einen weiteren Einsatz bekommt auch Wellbrocks Teamkollege Lukas Märtens. Die 1500m sind für ihn der letzte von vier Starts bei den Spielen, er wird also noch einmal alle Kräfte zusammen nehmen müssen, um seine Vorleistung von 14:49,26 Minuten zu wiederholen. Damit ist er an fünfter Stelle der Weltrangliste. Gelingt ihm das, ist also das Finale drin.

Bei den Damen geht Sarah Köhler mit ihrer Saisonbestzeit von 15:52,20 Minuten als Fünfte der Weltrangliste an den Start. Sollte sie ihren deutschen Rekord von 15:48,83 Minuten anvisieren können, winkt wie schon bei der WM 2019 Edelmetall. Im Gegensatz zu damals dürfte diesmal auch Katie Ledecky wieder mit dabei sein. Die Weltrekordhalterin überzeugte 2020 mit einer 15:29er Zeit und ließ es in diesem Jahr in 15:40 etwas lockerer angehen. Gefahr droht ihr unter anderem von Simona Quadarella, die 2019 WM-Gold vor Köhler holte und damals in 15:40,89 Minuten beeindruckte. Noch drei, vier weitere Athletinnen kommen für Zeiten im 15:40er Bereich in Frage. Die Konkurrenz für Köhler ist also stark, aber überschaubar. Entscheidend wird wohl die Tagesform. Für Celine Rieder, die sich in 16:09,00 Minuten für Tokio qualifizierte, muss wohl eine deutliche Steigerung her, um sich im Endlauf präsentieren zu können. Dazu ist eine Zeit von 16:00 anzupeilen. In der bereinigten Weltrangliste belegt sie Platz 16.

Auch die 800m stehen für Wellbrock und Köhler in Tokio auf dem Programm. Florian Wellbrock hat mit diesem Event nach dem Vorlauf-Aus der WM 2019 noch eine Rechnung offen, doch die 800m könnten auch in Tokio eine Herausforderung werden. Der Speed ist hier doch deutlich höher als auf den 1500m. Wellbrocks Saisonbestzeit von 7:48,12 Minuten wird wohl gesteigert werden müssen, um es ins Finale zu schaffen. Für die Medaillen werden Leistungen um die 7:40er Marke oder darunter gefordert sein. Wellbrock müsste also seinen deutschen Rekord von 7:43,03 Minuten unterbieten. Aus dem Kreis der Konkurrenten - den auch auf dieser Strecke Gregorio Paltrinieri anführt - war etwa ein halbes Dutzend Athleten schon schneller als der Magdeburger.

Ähnlich sieht es bei Sarah Köhler aus. Die Saisonbestleistung von 8:23,82 Minuten könnte fürs Finale bereits zu wenig sein und für die Medaillen muss wohl der Deutsche Rekord fallen. Mit der nationalen Bestmarke von 8:16,43 Minuten schrammte die in Magdeburg trainierende Frankfurterin 2019 auf Platz vier am WM-Podest vorbei. Zu den Konkurrentinnen um Katie Ledecky, die bereits über die 1500m auf Köhler warten, gesellt sich auf der 800m-Strecke auch die Australierin Ariarne Titmus hinzu. Das Feld ist hier etwas enger als auf den 1500m. Auch Isabel Gose (8:26,37) wird mit von der Partie sein, hat aber wohl nur mit einer deutlichen Steigerung Chancen auf den Endlauf.

Offen ist bei alledem noch, wie sich die kürzlichen Erkrankungen von Quadarella und Paltrinieri auf deren Leistungen in Tokio auswirken werden. Quadarella kämpft derzeit mit einer Grippe, durch die sich ihre Anreise nach Japan verzögert. Paltrinieri war im Juni am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankt. Mehr dazu hier: 

Mit diesen Vorleistungen gehen die deutschen Freistilschwimmer bei Olympia 2021 an den Start:

  Strecke 2021 BZ Bestzeit
Damian Wierling 100m Freistil 0:48.48 0:48,35 (2016)
       
Lisa Höpink* 100m Freistil 0:54,65 0:54,65 (2021)
       
Annika Bruhn 200m Freistil  1:57,17 1:57,17 (2021)
       
Isabel Gose 200m Freistil 1:56,93 1:56,93 (2021)
  400m Freistil 4:05,19 4:05,19 (2021)
  800m Freistil 8:26,37 8:26,37 (2021)
       
Jacob Heidtmann 200m Freistil 1:46,93 1:46,83 (2018)
       
Sarah Köhler 800m Freistil 8:23,82 8:16,43 (2019)
  1500m Freistil 15:52,20 15:48,83 (2019)
       
Leonie Kullmann 400m Freistil 4:06,25 4:06,25 (2021)
       
Lukas Märtens 200m Freistil 1:46,41 1:46,41 (2021)
  400m Freistil 3:44,86 3:44,86 (2021)
  1500m Freistil 14:49,26 14:49,26 (2021)
       
Henning Mühlleitner 400m Freistil 3:45,36 3:45,36 (2021)
       
Celine Rieder 1500m Freistil 16:09,00 16:09,00 (2021)
       
Florian Wellbrock 800m Freistil 7:48,12 7:43,03 (2019)
  1500m Freistil 14:36,45 14:36,15 (2018)

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*Starts laut vorläufiger internationaler Meldeliste. Der DSV gibt an, auch Lisa Höpink könnte über die 100m Freistil starten, offiziell ist das aber noch nicht.

Die Links zu den Olympischen Spielen 2021:

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