(31.07.2020) Ohne die Corona-Pandemie würden viele von uns jetzt vor den Bildschirmen sitzen und den besten Sportlern der Welt dabei zuschauen, wie sie um Medaillen kämpfen. Alle vier Jahre ziehen die Olympischen Spiele Sportfans in ihren Bann, doch auf den Schultern der Athleten selbst lastet dabei nicht nur der Leistungsdruck sondern auch die Frage: Was kommt danach?

"Das Gefühl, wenn du es endlich zu den Olympischen Spielen schaffst, kann in einem Wort beschrieben werden: Überwältigend", erinnert sich Michael Phelps in einer neuen Dokumentation des US-Senders HBO mit dem Titel "The Weight of Gold". Mehrere Olympia-Stars teilen hierin ihre Geschichten, darunter auch Phelps, der zudem als Erzähler in Erscheinung tritt. In der Dokumentation geht es nicht um Glanzmomente und den Weg zum Erfolg, sondern das, was die Athleten danach erwartet.

"Du bist verloren und du weißt nicht, was du jetzt eigentlich mit dir anfangen sollst", beschreibt Phelps die innere Leere, die sich einstellt, nachdem der Jubel der Fans verklungen ist. "Ich denke etwa 80 Prozent der Athleten, vielleicht sogar mehr, machen eine Art post-olympische Depression durch."

Nicht nur Phelps sondern weitere Top-Athleten wie der Skirennläufer Bode Miller, die Leichtathletin Lolo Jones oder auch die Eiskunstläuferinnen Gracie Gold und Sasha Cohen beschreiben ähnliche Erfahrungen. 

Sie alle litten im Anschluss an Olympische Spiele an Depressionen. Als Grund dafür sehen sie den extremen Fokus, den sie selbst aber auch die Außenwelt auf dieses Megaevent gelegt haben. Und das quasi ihr ganzes Sportlerleben lang. "An sich hatte keiner von uns eine normale Kindheit", erklärt Phelps. Er wolle nicht sagen, dass er irgendetwas anders machen würde, wenn er die Möglichkeit hätte. "Ich habe es geliebt. Ich habe es mir so ausgesucht. Die Wahrheit ist aber auch, dass mein Blickfeld sehr schnell sehr eng und konzentriert wurde." Dies habe Auswirkungen auf sein späteres Leben gehabt. 

Nach den Olympischen Spielen 2012 beendete Phelps erstmals seine Karriere. Das hatte er bereits lange zuvor angekündigt. In London gab es für ihn viermal Gold aber auch ein paar bittere Niederlagen. Doch schwerer als diese wog die Last, jetzt ein neues Leben beginnen zu müssen. "Es gab eine Frage, die hat mich erschlagen, wie eine Tonne Ziegelsteine: 'Wer bin ich außerhalb des Pools?'", meint er zurückblickend. In der Dokumentation nimmt er auch Bezug auf Verhaftungen wegen Alkohols am Steuer, mit denen er in der Zeit zwischen dem ersten Karriereende und seinem Comeback in die Schlagzeilen geriet.

Auf die Frage, warum Athleten sich nicht öfter und eher professionelle Hilfe suchen, erklärt Phelps: "Wir sind überzeugt, dass wir unschlagbar werden können, wenn wir nur hart genug arbeiten. Wir denken nicht, dass wir jemals Hilfe brauchen könnten. Wir haben Angst davor schwächer zu werden, wenn wir uns verwundbar zeigen." 

Auch von offizieller Seite sei kaum Unterstützung zu erwarten. Schon oft hat Phelps das Olympische Komitee der USA dafür kritisiert, dass es gibt keine ausreichenden Programme gab, die Athleten dabei helfen, den Übergang von der aktiven Karriere in die Zeit nach dem Sport zu bewältigen. Dies bekräftigt er erneut in der HBO-Dokumentation. "Niemand fühlte sich verantwortlich dafür, uns zu helfen. Solange wir Erfolg hatten, war alles andere egal."

Viel verändert hat sich daran nicht, wenn man den Athleten in der Dokumentation so zuhört. Ob die Verschiebung der Olympischen Spiele auf 2021 dazu beitragen kann, den Blick auf das zu richten, was danach kommt, darf bezweifelt werden. Trotzdem hofft Michael Phelps, "dass die Athleten, um die sich alles dreht, wenn es soweit ist, nicht nur bereit dafür sind, ihre Wettkämpfe zu bestreiten, sondern auch Unterstützung haben für den Moment, wenn die Flamme erlischt."

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